Entwicklungspsychologie im Kindes- und Jugendalter
ISBN
978-3-662-47027-5

 

 

 Kapitelübersicht

 

Kapitel 1: Die Entwicklung von Kindern: Eine Einführung

Es ist aus mehreren Gründen nützlich, etwas über die Kindesentwicklung zu erfahren: Es kann uns helfen, bessere Eltern zu werden, es formt unsere Meinung über soziale Fragen, die Kinder berühren, und es verbessert unser Verständnis von der Natur des Menschen. Das Gebiet der Kindesentwicklung stellt den Versuch dar, Antworten auf mehrere Grundfragen zu gewinnen: Wie wirken sich Anlage und Umwelt gemeinsam auf die Entwicklung aus? Wie formen Kinder ihre eigene Entwicklung? In welcher Hinsicht verläuft Entwicklung kontinuierlich, in welcher diskontinuierlich? Wie kommt es zu Veränderungen? Wie wirkt sich der soziokulturelle Kontext auf die Entwicklung aus? Warum werden Kinder so verschieden? Wie kann Forschung das Kindeswohl fördern? Mit Einführung der wissenschaftlichen Methode wurden große Fortschritte beim Beantworten solcher Fragen möglich. Dabei wird eine Forschungsfrage ausgewählt, eine relevante Hypothese formuliert, eine Methode entwickelt, um die Hypothese zu prüfen, und anhand von Daten entschieden, ob die Hypothese zutrifft.

 

Kapitel 2: Pränatale Entwicklung, Geburt und das Neugeborene

Anlage und Umwelt wirken bei der pränatalen Entwicklung zusammen. Ein großer Teil dieser Entwicklung wird vom Fetus selbst hervorgebracht; er ist ein aktiver Mitgestalter seines eigenen Entwicklungsfortschritts. Zwischen dem, was vor und was nach der Geburt vor sich geht, besteht große Kontinuität; die Kinder legen die Wirkungen dessen an den Tag, was ihnen im Mutterleib widerfahren ist. Etwa 40 Wochen nach der Befruchtung ist das Baby so weit, dass es geboren werden kann. Normalerweise trägt das Verhalten des Fetus zu diesem Zeitpunkt dazu bei, den Geburtsvorgang einzuleiten. Neugeborene zeigen sechs verschiedene Aktivierungszustände, vom tiefen Schlafen bis zum aktiven Schreien. Wie viel Zeit Säuglinge in den einzelnen Zuständen verbringen, kann sich stark unterscheiden, sowohl zwischen Individuen als auch zwischen Kulturen.

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Kapitel 3: Biologie und Verhalten

Das komplexe Zusammenspiel von Anlage und Umwelt bildete das durchgehende Thema dieses Kapitels. Auf der Bühne der Entwicklung haben Genotyp, Phänotyp und Umwelt ihren großen Auftritt, und die Handlung schreitet fort, indem all diese Faktoren auf mehr oder weniger offensichtliche Art und Weise interagieren. Ein aufblühender Bereich der Entwicklungsforschung befasst sich außerdem mit der Entwicklung des Gehirns – der komplexesten Struktur im bekannten Universum. Neurone sind die Basiseinheiten des Informationssystems Gehirn. Diese Zellen übermitteln Informationen durch elektrische Signale. Impulse von einem Neuron zu einem anderen werden an Synapsen übertragen.

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Kapitel 4: Theorien der kognitiven Entwicklung

Entwicklungstheorien sind wichtig, weil sie einen Rahmen für das Verständnis wichtiger Phänomene bieten, relevante Fragen über das Wesen des Menschen aufwerfen und neue Forschungen anregen. Fünf wichtige Theorien der kognitiven Entwicklung sind die Theorie von Piaget, der Informationsverarbeitungsansatz, die soziokulturellen Theorien sowie der dynamische Systemansatz.

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Kapitel 5: Die frühe Kindheit - Sehen, Denken und Tun

Das visuelle System des Menschen ist bei Geburt relativ unreif; Kleinkinder besitzen eine geringe Sehschärfe, eine geringe Kontrastempfindlichkeit und minimales Farbensehen. Neuere Forschungen haben jedoch nachgewiesen, dass Neugeborene schon Minuten nach der Geburt damit beginnen, die Welt visuell abzutasten, und dass sehr kleine Kinder stark kontrastive Muster bevorzugen, dieselben Farben präferieren wie Erwachsene und insbesondere eine Vorliebe für menschliche Gesichter aufweisen. Mit leistungsfähigen neuen Forschungsverfahren – besonders
mit der Methode der Erwartungsverletzung – wurde zudem nachgewiesen, dass Säuglinge eindrucksvolle kognitive Fähigkeiten an den Tag legen. Wenngleich viele faszinierende Phänomene im Bereich der Kognition der frühen Kindheit entdeckt wurden, bleiben grundlegende Fragen der kognitiven Entwicklung unbeantwortet. Es gibt markante Unterschiede darin, wie Theoretiker die Fähigkeiten und die Defizite im kindlichen Denken erklären.

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Kapitel 6: Die Entwicklung des Sprach- und Symbolgebrauchs

Ein entscheidendes Merkmal des Menschseins ist der kreative und flexible Gebrauch einer Vielzahl sprachlicher und anderer Symbole. Die enorme Kraft der Sprache rührt von ihrer  Generativität her – der Tatsache, dass sich aus einer endlichen Menge von Wörtern eine schier unendliche Anzahl von Sätzen erzeugen lässt. Praktisch alle aktuellen Theorien der Sprachentwicklung erkennen an, dass dabei angeborene (interne) Faktoren und Erfahrung (extern) zusammenwirken.Symbolische Artefakte (wie Karten oder Modelle) erfordern eine zweifache (duale) Repräsentation. Um sie zu verwenden, müssen Kinder im Geiste sowohl das Symbolobjekt selbst als auch seine symbolische Beziehung zum Referenten repräsentieren. Kleinkinder werden immer geschickter beim dualen Repräsentieren und im Umgang mit Symbolen als Informationsquelle.

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Kapitel 7: Die Entwicklung von Konzepten

Um zu verstehen, was sie erleben, müssen Kinder lernen, dass die Welt verschiedenartige Typen von Objekten enthält: Menschen, andere Lebewesen und unbelebte Gegenstände. Auch benötigen Kinder ein Grundverständnis von Kausalität, Raum, Zeit und Zahl, sodass sie in der Lage sind, ihre Erfahrungen danach zu codieren, warum, wo, wann und wie oft Ereignisse auftreten. Die ersten Objektkategorien von Kindern beruhen größtenteils auf perzeptueller Ähnlichkeit, insbesondere auf Formähnlichkeit. Zum Ende des ersten Lebensjahres bilden sie auch Klassen von Objekten mit gleicher Funktion. Ab der frühen Kindheit verhalten sich Kinder gegenüber Menschen anders als gegenüber Tieren oder unbelebten Objekten. Zum Beispiel lächeln sie Menschen mehr an als Kaninchen oder Roboter. In einem Alter von neun Monaten verfügen Kinder schon über eine allgemeine Repräsentation von Größe in Bezug auf die Dimensionen Raum, Zeit und Zahl.

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Kapitel 8: Intelligenz und schulische Leistungen

Alfred Binet und sein Mitarbeiter Théophile Simon entwickelten den ersten weitverbreiteten Intelligenztest. Sie wollten damit Kinder identifizieren, die vom normalen Unterricht in der Klasse wahrscheinlich nicht profitieren würden. Moderne Intelligenztests sind Nachkommen des Binet-Simon-Tests. Eine zentrale Erkenntnis Binets war, dass Intelligenz verschiedene Teilfähigkeiten umfasst, die man beurteilen muss, um Intelligenz genau messen zu können. Die Intelligenzentwicklung wird durch die Eigenschaften des Kindes selbst, durch die unmittelbare Umgebung und durch den breiteren gesellschaftlichen Kontext beeinflusst. Neue Ansätze zur Intelligenz, beispielsweise Gardners Theorie der multiplen Intelligenzen oder Sternbergs Theorie der Erfolgsintelligenz, sind Versuche, traditionelle Intelligenzkonzepte zu erweitern.

Viele Kinder lernen die Buchstabenbezeichnungen und erwerben phonologische Bewusstheit schon vor Schuleintritt. Beides korreliert mit der späteren Leseleistung, wobei die phonologische Bewusstheit einen kausalen Faktor darstellt. Auch wenn viele Kinder schon im Vorschulalter mit dem Schreiben anfangen, bleibt gutes Schreiben für die meisten Kinder noch jahrelang recht schwierig. Ein Großteil der Schwierigkeit resultiert aus der Tatsache, dass die Kinder beim Schreiben gleichzeitig ihre Aufmerksamkeit auf Low-Level-Prozesse wie Rechtschreibung und Zeichensetzung und auf High-Level-Prozesse wie die Antizipation dessen, was der Leser bereits weiß und was nicht, richten müssen.Wenn sie rechnen lernen, verwenden die meisten Kinder mehrere Strategien, beispielsweise das Abzählen von 1 ausgehend und den Abruf der fertigen Lösungen aus dem Gedächtnis.

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Kapitel 9: Theorien der sozialen Entwicklung

Vier Haupttypen von Theorien der sozialen Entwicklung bieten kontrastierende Ansichten von der sozialen Welt der Kinder. Die psychoanalytische Theorie von Sigmund Freud hatte
einen enormen Einfluss auf die Entwicklungspsychologie und die Psychologie als Ganzes, und zwar vor allem wegen Freuds Betonung der Bedeutung früher Erfahrungen für die Persönlichkeit und die soziale Entwicklung, seiner Darlegung unbewusster Motive und Prozesse und seinem Hinweis auf die Bedeutung enger Beziehungen. Albert Banduras Theorie des sozialen Lernens und seine empirischen Forschungsarbeiten wiesen nach, dass Kinder einfach dadurch lernen können, dass sie andere Menschen beobachten. Theorien der sozialen Kognition nehmen an, dass insbesondere das Wissen und die Überzeugungen der Kinder von entscheidender Bedeutung für die soziale Entwicklung sind. Ethologische Theorien untersuchen das Verhalten innerhalb
eines evolutionären Kontexts und versuchen, seinen adaptiven Wert (seinen Überlebenswert) zu verstehen.

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Kapitel 10: Emotionale Entwicklung

Von Geburt an spielen Emotionen beim Überleben und bei der sozialen Kommunikation eine wichtige Rolle. Zwar zeigen Kleinkinder von Geburt an negative und positive Affekte, doch ist nicht klar, ob sie verschiedene Arten von negativen Emotionen wie Wut, Angst und Traurigkeit unterschiedlich erleben. Kleine Kinder können sich selbst noch schlecht regulieren und müssen sich auf Erwachsene verlassen, die mit den Emotionen der Kinder umgehen. Die Selbstregulierung derKinder verbessert sich jedoch mit dem Alter, wenn sie vermehrt kognitive Strategien und geeignete, effektive Mittel einsetzen, um mit ihren Emotionen und ihrem Verhalten zurechtzukommen. Sowohl biologische als auch Umweltfaktoren tragen zu den Unterschieden bei, die in den Emotionen der Kinder und dem damit verknüpften Verhalten erkennbar sind.

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Kapitel 11: Bindung und die Entwicklung des Selbst

Nach der Theorie von Bowlby beruht Bindung auf einem biologischen Prozess, dessen Wurzeln in der Evolution liegen und der die Überlebenschancen des hilflosen Kleinkindes erhöht. Eine sichere Bindung bietet dem Kind außerdem eine sichere Basis zur Exploration. Die frühen Eltern-Kind-Interaktionen führen zu einem inneren Arbeitsmodell für Beziehungen.

Die Vorstellungen kleiner Kinder von sich selbst sind sehr konkret – sie beruhen auf körperlichen Merkmalen und sichtbarem Verhalten – und ausnahmslos positiv. Mit zunehmendem Alter basieren Selbstkonzepte verstärkt auf inneren Qualitäten und der Qualität der Beziehungen zu anderen; sie werden zudem realistischer, integrierter, abstrakter und komplexer. Das Selbstwertgefühl von Kindern wird durch viele Faktoren beeinflusst, darunter genetische Veranlagung, die Qualität der Beziehungen des Kindes zu Eltern und Gleichaltrigen, körperliche Attraktivität, schulische Fähigkeiten und verschiedene soziale Faktoren. In der Adoleszenz beginnen Jugendliche aus Minderheiten häufig, die Bedeutung ihrer Ethnizität und deren Rolle für ihre Identität zu erforschen.Jugendliche sexueller Minderheiten (Schwule, Lesben, Bisexuelle) sind anderen Jugendlichen in ihrer Identitäts- und Selbstentwicklung ähnlich, sehen sich jedoch besonderen Schwierigkeiten gegenüber.

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Kapitel 12: Die Familie

Wie gut Familien ihre Funktion erfüllen – Nachwuchs großzuziehen, ihm beizubringen, wie man als Erwachsener ökonomisch produktiv sein kann, und ihm eigene kulturelle Werte zu vermitteln –, hängt von der Familiendynamik ab: Alle Familienmitglieder beeinflussen sich wechselseitig, und die Art ihrer Interaktionen formt die Entwicklung der Kinder. Die Bedeutung und die Auswirkungen verschiedener Erziehungsstile oder Erziehungspraktiken können sich von Kultur zu Kultur unterscheiden und werden durch die Eigenschaften der Kinder beeinflusst, insbesondere durch ihre Attraktivität, ihr Verhalten und ihr Temperament.

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Kapitel 13: Beziehung zu Gleichaltrigen

Theoretiker wie Piaget, Wygotski und Sullivan haben behauptet, dass die Aspekte Gleichberechtigung, Reziprozität, Kooperation und Vertrautheit, die viele Peer-Beziehungen kennzeichnen, die kindlichen Fähigkeiten zum logischen Denken und zur Sorge um andere Menschen verbessern. In Übereinstimmung mit den theoretischen Annahmen bieten Peers, insbesondere Freunde, Vertrautheit, Unterstützung und vielfältige Möglichkeiten zur Entwicklung des Spieles und zum Austausch von Ideen und Vorstellungen. Freunde zu haben, wirkt sich positiv auf die Entwicklung sozialer Kompetenz und auf Anpassungsleistungen aus. Freunde können sich jedoch auch negativ auf Kinder auswirken, wenn sie problematische Verhaltensweisen wie Gewalt oder Drogenmissbrauch zeigen.

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Kapitel 14: Moralentwicklung

Piaget beschrieb zwei altersabhängige Moralstadien und eine Übergangsphase. Im ersten Stadium, dem der heteronomen Moral, neigen kleinere Kinder zu der Überzeugung, dass Regeln unabänderlich sind, und sie gewichten die Folgen von Handlungen stärker als die Absichten, wenn sie die Moralität von Handlungen beurteilen. Im autonomen Stadium erkennen die Kinder, dass Regeln soziale Produkte und als solche veränderbar sind, und sie berücksichtigen Motive und Absichten, wenn sie Verhalten bewerten. Mehrere Aspekte der Theorie Piagets konnten der Kritik nicht gut standhalten, doch diente seine Theorie als Grundlage für die folgenden Arbeiten über das moralische Denken. Kohlberg skizzierte drei Ebenen des moralischen Urteils, die jeweils zwei Stufen umfassen: die präkonventionelle, konventionelle und postkonventionelle Ebene. Das Gewissen, das internalisierte moralische Normen und Schuldgefühle für Fehlverhalten umfasst, entwickelt sich langsam im Zeitverlauf, beginnend schon vor dem zweiten Geburtstag. Prosoziales Verhalten tritt erstmals im zweiten Lebensjahr auf und wird mit dem Alter häufiger,  wahrscheinlich infolge altersabhängiger Erhöhungen der Fähigkeit zur Anteilnahme und zur Übernahme der Perspektive anderer.

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Kapitel 15: Entwicklung der Geschlechter

Ein wichtiger Forschungsansatz zur Geschlechterentwicklung ist die biologische Perspektive, die drei Ansätze einschließt: die evolutionspsychologischen, die biosozialen und die neurowissenschaftlichen Theorien. Eine zweite Gruppe bilden die Theorien zu kognitiven und motivationalen Einflüssen auf die Geschlechterentwicklung. Dazu gehören die kognitive Entwicklungstheorie, die Theorie der Geschlechterschemata, die Theorie der sozialen Identität und die sozial-kognitive Theorie. Die dritte Theoriengruppe stellt die kulturellen Einflüsse in den Mittelpunkt; zu ihr gehören das bioökologische Modell und die Theorie der sozialen Rollen.

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Kapitel 16: Fazit

Dieses abschließende Kapitel gibt einen Überblick, bei dem die vielen Einzelheiten und Spezifika, die bislang gelernt wurden, in ein integratives Rahmenkonzept eingebunden werden. Zu den sieben Leitthemen "Anlage und Umwelt: Alle Interaktionen zu allen Zeitpunkten", "Kinder spielen bei ihrer Entwicklung eine aktive Rolle", "Entwicklung verläuft kontinuierlich und diskontinuierlich", "Mechanismen entwicklungsbedingter Veränderungen", "Der soziokulturelle Kontext formt die Entwicklung", "Individuelle Unterschiede", und "Entwicklungsforschung kann das Leben von Kindern verbessern" wird ein Fazit gezogen.

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