Gesundheitspsychologie. Eine Einführung – kompakt, prägnant und anwendungsorientiert
ISBN
978-3-662-67181-8

 

Inhaltsübersicht

 

1 Das Fach Gesundheitspsychologie

2 Gesundheit und Krankheit

3 Was uns krank macht

4 Was uns gesund macht

5 Modelle des Gesundheitsverhaltens

6 Prävention und Gesundheitsförderung

7 Betriebliche Gesundheitsförderung

8 Epilog: Vom Krankheitsstigma zum Gesundheitsdiktat?

 

 

 

1 Das Fach Gesundheitspsychologie

 

Haben Sie sich heute schon gefragt, was Sie für Ihre Gesundheit tun können? Viele Menschen entdecken den Wert von Gesundheit erst dann, wenn sie sich gesundheitlich beeinträchtigt fühlen, krank sind oder wenn sie von anderen und deren schlechtem Gesundheitszustand erfahren. Sieht man von den Effekten der COVID-Pandemie der Jahre 2020 bis 2022 ab, in denen wir uns täglich mit Krankenstandsmeldungen konfrontiert sahen, ist Gesundheit für viele von uns so lange eine Selbstverständlichkeit, solange wir gesund sind. Anders formuliert: „Gesundheit ist im Alltag kein Thema. Ihr Vorhandensein zeichnet sich gerade durch eine relative Selbstvergessenheit aus“ (Bengel & Belz-Merk, 1997, S. 33). Es braucht jedoch nicht viel Nachdenken, um festzustellen, dass Gesundheit alles andere als selbstverständlich ist. Jeder von uns kennt Menschen, die plötzlich krank geworden sind, auch schwer krank, vielleicht sogar an ihrer Krankheit gestorben sind. Und auch die Medien und der öffentliche Raum sind voll mit Gesundheits- und Krankheitsthemen, angefangen von den beliebten Arztserien im Fernsehen bis hin zu Talk-Shows, Plakaten, Warntafeln, in denen uns Begriffe wie Zivilisationskrankheiten, Übergewicht, Rückenschmerzen, Alkohol- und Tabakmissbrauch, Stress, Burnout oder Depressionen begegnen. Möglicherweise wiegen wir uns also mit unserem Gesundheitsgefühl in falscher Sicherheit. Darauf deuten auch Zahlen zum aktuellen Gesundheitsstand in Deutschland hin. Gesundheit bzw. Krankheit, so wird schnell deutlich, sind Themen, die uns alle betref fen.

 

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2 Gesundheit und Krankheit

 

Die Begriffe Gesundheit und Krankheit scheinen auf den ersten Blick zwei sich gegenseitig ausschließende Zustände zu beschreiben, die klar und eindeutig definiert sind: auf der einen Seite der gesunde Mensch und auf der anderen Seite der Kranke. Bei genauerer Betrachtung ist diese einfache Zuordnung unzureichend. Die Sache verhält sich komplizierter. Das Nichtvorhandensein von Krankheit bedeutet nicht unbedingt, dass die betreffende Person auch gesund ist, und umgekehrt bedeutet das Nichtvorhandensein von Gesundheit nicht notwendigerweise, dass die Person krank ist. Zudem ist die Einteilung in „krank“ versus „gesund“ sehr kategorisch und schließt dazwischenliegende Zustände aus. Ohnehin ist eine eindeutige Definition von Gesundheit und Krankheit schwerer als zunächst vermutet, ist Gesundheit doch letztlich „ein relatives und relationales Phänomen, ein sozial verhandeltes Konstrukt, das vom jeweiligen kulturellen, gesellschaftspolitischen und ökologischen Kontext beeinflusst wird und sich dabei beständig erneuert“ (Hurrelmann & Franzkowiak, 2015). Das gleiche gilt für Krankheit (Heinz, 2014).

 

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3 Was uns krank macht

 

Krankheiten können die verschiedensten Ursachen haben. Unfälle, genetische Faktoren, Umweltfaktoren, schädliche Verhaltensweisen. Die Gesundheitspsychologie interessiert sich in diesem Zusammenhang vor allem dafür, welche psychischen Wirkprozesse Krankheiten entstehen, sie schlimmer werden oder sie länger anhalten lassen. In diesem Zusammenhang spielen neben unserem konkreten Verhalten beispielsweise auch sozial-materielle und dispositionelle Faktoren eine bedeutende Rolle. Eine Ausnahmestellung kommt dem Stress zu, der als einer der Hauptgründe für psychische und physische Krankheiten gilt. So ist Stress beispielsweise für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Bluthochdruck, Arteriosklerose, Herzinfarkt), unsere Immunabwehr, das zentrale Nervensystem (z. B. Schlafstörungen, kognitive Prozesse) und unsere Psyche (z. B. Depression, Angst, Sucht) ein permanenter Risikofaktor (Chrousos, 2009). Beginnen wir in dem Kapitel also mit Stress und werfen später noch einen Blick auf stressreiche Lebensereignisse sowie soziale und materielle Randbedingungen und unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale, die immer wieder mit dem Etikett „krankmachend“ versehen werden.

 

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4 Was uns gesund macht

 

Bisher haben wir uns hauptsächlich mit Krankheit und risikoreichem Verhalten beschäftigt. Wir haben Stress als eine wichtige Ursache für Krankheit und beeinträchtigtes Wohlbefinden und viele Einflussfaktoren wie etwa dem materiell-sozialen Kontext oder Persönlichkeitsmerkmale kennengelernt. Wie wir bereits gesehen haben, fokussieren das biomedizinische und auch das biopsychosoziale Modell ausschließlich auf die Pathogenese, also die Entstehung, Symptomatik und bestenfalls Heilung von Krankheiten. Was aber ist mit unserer Gesundheit? Wie wir weiter vorne bereits festgestellt haben, kann man unter Gesundheit mehr verstehen als nur die Abwesenheit von Krankheit. Was können wir tun, um gesund zu sein und gesund zu bleiben? Wir haben uns damit beschäftigt, was Menschen krank macht. Was aber zeichnet Menschen aus, die ungeachtet offenkundig negativer Bedingungen gesund bleiben? Die Salutogenese („saluto“ ist abgeleitet vom lateinischen „Gesundheit“ und dem altgriechischen „genesis“) wählt genau diese Perspektive und sucht nicht nach Risikofaktoren, sondern nach Faktoren, die uns gesund machen und halten.

 

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5 Modelle des Gesundheitsverhaltens

 

„Gesundheit ist zwar nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts“. Dieser Arthur Schopenhauer zugeschriebene Aphorismus bringt es auf den Punkt. Mehr noch, Gesundheit ist für den Philosophen für 90 % unseres Glückes verantwortlich (Schopenhauer, 1851/1986). Es wundert daher auch nicht, dass es an Hinweisen, Anregungen und klugen Ratschlägen für ein gesünderes Leben nicht mangelt. Unzählige Werbekampagnen, Rundfunkbeiträge, Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträge, Internetseiten oder Ratgeberbücher geben uns täglich Hinweise und Tipps zur besseren Ernährung, für ein Leben ohne Zigaretten und Alkohol, für langsameres Fahren auf der Autobahn, sicheren Geschlechtsverkehr oder laden uns zu Vorsorgeuntersuchungen oder der Beschäftigung mit den verschiedensten gesundheitsbezogenen Themen ein. Insgesamt mit eher mäßigem Erfolg (Noecker, 2015). Darüber hinaus spielen so viele Faktoren beim gesundheitsbezogenen Verhalten eine Rolle, dass eine einzelne Maßnahme (z. B. mit Hilfe von Furchtappellen über die tödlichen Folgen des Alkoholkonsums aufzuklären; Andrews, 1995) in den seltensten Fällen Menschen dazu bewegt, ihr risikoreiches Verhalten zu unterlassen (vgl. dazu auch Ort, 2019). Zu den Faktoren, die Einfluss auf konkretes Gesundheitsverhalten nehmen, zählen beispielsweise neben dem Wissen über Risikofaktoren der wahrgenommene Nutzen bestimmter Handlungen, die Einschätzung der eigenen Vulnerabilität oder die wahrgenommenen Erfolgsaussichten, die Überzeugung, durch eigenes Handeln überhaupt etwas Positives beitragen zu können, konkrete Umsetzungsideen, situativ wichtigere Handlungsalternativen, normative Einflüsse oder situative Motivation und Salienz von gesundheitsbezogenem Wissen, um nur einige Faktoren zu nennen.

 

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6 Prävention und Gesundheitsförderung

 

Mit Prävention bzw. Vorsorge, Vorbeugen oder Prophylaxe werden gemeinhin Interventionsansätze beschrieben, deren Ziel es ist, das Auftreten von Krankheiten und deren Folgen zu vermeiden (Hurrelmann et al., 2014). Demgegenüber geht es bei der Gesundheitsförderung um Maßnahmen, die auf „eine Stärkung der gesundheitlichen Entfaltungsmöglichkeiten“ (ebd., S. 13) abzielen. Gemeinsames Ziel von Prävention und Gesundheitsförderung sind der individuelle und kollektive Gesundheitsgewinn. Ausgangspunkt von Präventionsmaßnahmen ist die Identifikation von Risikofaktoren. Im Gegensatz dazu geht es bei Maßnahmen zur Gesundheitsförderung zunächst darum, Schutzfaktoren zu identifizieren (Hurrelmann et al., 2014).

 

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7 Betriebliche Gesundheitsförderung

 

Haben wir uns dem Thema Gesundheit und Krankheit bisher weitgehend konzeptuell-theoretisch genähert, wollen wir uns nun einen besonderen Anwendungskontext der Gesundheitspsychologie zuwenden, der Gesundheitsförderung im Betrieb (ausführlich dazu siehe z. B. Bamberg et al., 2011). Dies ist deswegen ein so bedeutsamer Bereich, weil es zahlreiche empirische Befunde dafür gibt, dass die Arbeitswelt mit ihrer spezifischen Umwelt, den Interaktionen und Rollen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit der dort arbeitenden Menschen hat. Hohe Krankenstandsmeldungen und damit verbundene Kosten haben zudem auch das Interesse von Unternehmen an dem Thema Gesundheit wachsen lassen. Darüber hinaus tragen gute, der Gesundheit nicht abträgliche Arbeitsbedingungen erheblich zu Zufriedenheit und Motivation der beschäftigten Personen bei. Relevanz erhält das Thema auch deswegen, weil sich Ansprüche und Bedürfnisse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen verändert haben. Neue Arbeitszeitmodelle und veränderte Wertvorstellungen haben zu tiefgreifenden Veränderungen in der Arbeitswelt geführt. Auch hat sich die Arbeit selbst verändert. Produktions- und körperliche Arbeit werden weniger, der Anteil an Büroarbeitsplätzen steigt stetig an. Im Jahr 2020 lag die Quote der Bürobeschäftigten bei 36,7 % (Hammermann & Voigtländer, 2020). Dies hat auch Auswirkungen auf die Frage nach dem „gesunden Arbeitsplatz“. Heute stehen weniger körperliche Belastungen und deren Reduktion im Fokus des Interesses als vielmehr psychische Belastungen bzw. die Frage, wie man negativen Konsequenzen einer vornehmlich sitzenden Tätigkeit entgegenwirken kann.

 

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8 Epilog: Vom Krankheitsstigma zum Gesundheitsdiktat?

 

Wir haben unsere Einführungsreise in die grundlegenden Fragen, Konzepte und Theorien der Gesundheitspsychologie mit der Beobachtung begonnen, dass Krankheiten und Belastungen allgegenwärtig sind und Gesundheit ein Thema ist, das uns alle angeht. Wir haben festgehalten, dass wir uns ständig auf einem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum bewegen und dass das biomedizinische Modell, mit seinem Fokus auf rein körperliche Prozesse, all dies nur unzureichend zu erklären vermag. Vielmehr werden wir der Komplexität des Themas nur gerecht, wenn wir neben den biologischen Faktoren auch personale, soziale und materielle Faktoren mitberücksichtigen. In diesem Zusammenhang haben wir Stress als eine der zentralen Ursachen für Gesundheitsverluste und mit dem transaktionalen Stressmodell einen weithin anerkannten Ansatz zur Erklärung von Stressphänomen kennengelernt. Weiter haben wir die Rolle von kritischen Lebensereignissen und Persönlichkeitsfaktoren untersucht und festgestellt, dass es vor allem die vielen kleinen alltäglichen Belastungen sind, die sich negativ auf unsere Gesundheit auswirken können. Anschließend haben wir mit der Salutogenese und der Positiven Psychologie zwei Ansätze kennengelernt, die uns eine völlig andere Perspektive auf die Themen Krankheit und Gesundheit bieten: Anstatt allein auf die krank machenden Faktoren zu schauen, bietet der Fokus auf die positiven, gesund machenden Ressourcen nicht nur Vorteile für Strategien und Techniken zur Gesundheitsförderung, die positive Sichtweise führt auch zu mehr Selbstwirksamkeit und versorgt uns damit mit einer der zentralen Gesundheitsfaktoren, die in der Gesundheitspsychologie identifiziert wurden. Das hat sich dann auch in der Betrachtung verschiedener Modelle zum gesundheitsbezogenen Verhalten gezeigt, die wir uns anschließend angesehen haben. Unsere Reise zur Gesundheitspsychologie haben wir schließlich mit der Betrachtung von Präventionskonzepten und einem Anwendungsfall, der betrieblichen Gesundheitsförderung, abgeschossen. In diesem letzten Kapitel wollen wir den Blick etwas weiten und uns um eine breite Einordnung der gesundheitspsychologischen Themen bemühen und uns durchaus kritisch mit einigen hier vorgestellten Annahmen auseinandersetzen. Fangen wir mit den allgemeinen Vorstellungen über Gesundheit und Krankheit an.

 

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