• Von leistungsmotiviertem Verhalten wird gesprochen, wenn an das eigene Handeln ein Gütestandard angelegt und die eigene Tüchtigkeit bewertet wird. In der Ontogenese finden sich erste Anzeichen dafür im Ausdrucksverhalten von Kindern (Intelligenzalter ca. 3 1/2 Jahre), die in einer spielerischen Wetteifersituation beobachtet werden. Der Ausdruck von Selbstbewertungsemotionen, wie Stolz und Beschämung, zeigt an, dass nicht nur das Ergebnis des Handelns, sondern auch die eigene Tüchtigkeit bewertet wird.
• Das Leistungsmotiv kann als ein wiederkehrendes Anliegen definiert werden, sich mit Gütestandards auseinander zu setzen und Tüchtigkeitsmaßstäbe zu übertreffen. Die Messung dieses Motivs erfolgte durch die Entwicklung eines TAT, in dem die Äußerung leistungsbezogener Vorstellungsinhalte als Indiz der Motivstärke betrachtet wird. Die Konstruktion dieses Verfahrens orientierte sich an empirischen Kriterien, nämlich zum einen an der Sensitivität des Tests für aktuell angeregte Motivationszustände und zum anderen an der Höhe und Veränderung des Anspruchsniveaus. Neben Erfolgszuversicht kann mit dem TAT auch Misserfolgsangst erfasst werden. Die Reliabilität des TAT ist, gemessen an den Kriterien der klassischen Testtheorie, als gering zu bezeichnen. »Hoffnung auf Erfolg« hat sich bei einer Testung nach dem Rasch-Modell als eindimensionales Konstrukt erwiesen. Demgegenüber umfasst »Furcht vor Misserfolg« sowohl passive Vermeidung als auch aktive Bewältigung von Misserfolgsereignissen. Es wurde eine große Anzahl an Fragebögen konstruiert, mit denen die Stärke des Leistungsmotivs bzw. seiner erfolgs- und misserfolgsbezogenen Teilkomponenten direkt, nämlich im Selbstbericht erfasst wird. Welches dieser beiden Verfahren (TAT oder Fragebögen) angemessener ist, um die Stärke und Ausrichtung (Erfolg vs. Misserfolg) des Leistungsmotivs zu erfassen, ist Gegenstand kontroverser Diskussion gewesen. Letztlich kann darüber nur die Validität der Verfahren Aufschluss geben. Ein Verfahren, das die Vorteile beider Verfahren zu verknüpfen versucht, ist das Leistungsmotiv-Gitter. Hier wird die bildliche Anregung von leistungsbezogenen Motivationstendenzen mit einem strukturierten Antwortformat kombiniert.
• Nach der Entwicklung des Leistungsmotiv-TAT wurde der zugehörige Kennwert (nAchievement) mit einer Vielzahl unterschiedlicher Verhaltensmerkmale in Beziehung gesetzt. Bei einfachen Leistungs- und Lernaufgaben waren hoch Leistungsmotivierte niedrig Motivierten zumeist überlegen. Von Beginn an erwies sich nAchievement als ein Maß, das mit innovativen und kreativen Leistungen in realen Lebenssituationen in Verbindung steht. Auch auf der Ebene der Gesamtgesellschaft ist nAchievement mit Indikatoren der ökonomischen Entwicklung korreliert und sagt Kennwerte des wirtschaftlichen Wachstums und der geistigen Produktivität vorher. Mit wenigen Ausnahmen blieben in diesen frühen Studien situative Merkmale (z. B. Anreize, Instruktionen, Aufgabenmerkmale) unbeachtet, so dass ihrer Aussagekraft Grenzen gesetzt sind.
• Insgesamt lassen sich aus den Befunden von Halisch und Heckhausen (1988) folgende Schlüsse ziehen: 1. Mehr als frühere Untersuchungen bestätigten diese Befunde die Annahmen des Risikowahl-Modells: Je stärker die aufsuchende Motivation ausfiel (HE), desto stärker wurden Erfolge und Misserfolge mit wachsendem Schwierigkeitsgrad gewichtet. Umgekehrt wurden mit wachsender Furcht (FM) Misserfolge umso stärker gewichtet, je leichter die Aufgabe war. Es scheint eher ein Problem der Motivmessung als der Modellannahme zu sein, dass sich Atkinsons Annahme im Falle des Misserfolgsmotivs schwieriger als im Falle des Erfolgsmotivs nachweisen lässt. Fortschritte sind hier erst zu erwarten, wenn ein reines Maß der hemmenden Misserfolgsfurcht verfügbar ist. 2. Es macht einen deutlichen Unterschied, ob man die eigene Leistung an individuellen oder an normativen Maßstäben zu beurteilen hat. In der Literatur sind beide Maßstäbe verwendet worden, um die Motivabhängigkeit von Valenzfunktionen zu prüfen. Die Zufriedenheit mit der eigenen Leistung, nicht aber ihre normative Bewertung nach einem Belohnungsplan, folgt den theoretischen Prinzipien, die dem Risikowahl-Modell zugrunde liegen. 3. Nur TAT-Variablen, nicht aber Fragebogenmaße, scheinen in der Lage zu sein, motivabhängige Unterschiede in der Valenz von Erfolg und Misserfolg aufzudecken. Auch in dieser Hinsicht scheint die Verrechnung eines TAT-Maßes für das Erfolgsmotiv (nAchievement) mit einem Fragebogenmaß des Misserfolgsmotivs (TAQ) problematisch zu sein. Selbst beim Einsatz des Heckhausen-TAT stellt sich das Problem, dass sich aktive und passive Formen der Misserfolgsmotivation erst nach der Neubildung von Teilkennwerten des FM-Maßes voneinander trennen lassen. 4. Orientiert sich die Einschätzung von Valenzen an Maßstäben der normativen Leistungsbewertung, so steht sie individuellen Fähigkeitsunterschieden nahe, wie sie durch Fragebogenverfahren zur Bestimmung der Leistungsmo6tivation erfasst werden. Erfolg und Misserfolg weisen hier nicht, wie vom Risikowahl-Modell gefordert wird, unterschiedlich steile, sondern annähernd gleich steile Valenzgradienten auf. Personen, die sich für be fähigt halten, legen bei einer normativen Bewertung größeres Gewicht sowohl auf Erfolg als auch auf Miss erfolg als dies bei Personen der Fall ist, die sich für we niger befähigt halten. Vermutlich sind letztere weniger geneigt, ihre normativen Bewertungen auf eigene Leistungserfahrungen zu gründen.
Insgesamt sprechen die Befunde dafür, dass operante Ver fah ren, wie der TAT, eine zuverlässigere Einschätzung von Motiven liefern als dies Fragebögen tun, in denen die vorgeblich erfassten Leistungsmotive zu einem erheblichen Teil subjek tive Fähigkeitseinschätzungen widerspiegeln.
• Trotz dieser vielversprechenden Befunde ist anzumerken, dass die Beziehung zwischen Motivation und Leistung einer eigenen Theorie bedarf. Darin müsste spezifiziert werden, welche Vermittlungsgrößen, seien sie motivationaler, emotionaler oder kognitiver Art, die Verbindung zwischen Personen-, Situations- und Aufgabenmerkmalen auf der einen Seite mit Leistungsvariablen auf der anderen Seite herstellen. Dies kann nur durch prozessnahe Analysen geschehen, in denen die motivationale Handlungssteuerung im Verlauf der Aufgabenbearbeitung untersucht und präzise modelliert wird. Dafür müssten wiederum differenzielle und allgemeinpsychologische Perspektiven zusammengeführt werden, denn für die Analyse der Aufgabenleistung reicht es nicht aus, Motivation als Eingangsgröße zu bestimmen, Leistung als Ausgangsgröße zu messen, motivationale Einflüsse auf die Informationsverarbeitung aber in einer Black Box zu verschließen. Ansätze, die diesem Anspruch gerecht werden, existieren zwar, haben aber Seltenheitswert (vgl. Boekarts, 2003; Revelle, 1986; Schiefele & Rheinberg, 1997; Schneider, Wegge & Konradt, 1993; Rheinberg, Vollmeyer & Burns, 2000), zumindest was Forschungen in der Tradition der Leistungsmotivationstheorie betrifft. Zwei bemerkenswerte Ausnahmen, die beide auf Atkinson zurückgehen, werden in den folgenden Abschnitten dargestellt werden.
• Der größte Teil der Leistungsmotivationsforschung orientierte sich an Atkinsons Modell der Risikowahl. Während dieses Modell in Untersuchungen zur Aufgabenwahl und Ausdauer gute Bestätigung fand, konnte es über die Höhe und Entwicklung von Leistungen nur begrenzt Aufschluss geben. Während die Leistungsmenge von der Motivationsstärke abhängig ist, gilt dies für die Leistungsgüte nur sehr bedingt. Atkinson entwickelte daher Modelle, in denen nicht nur die Motivationsstärke vorhergesagt wird, sondern auch die Frage behandelt wird, wie sich Intensität und Richtung der Motivation auf die Effizienz bei der Bearbeitung von Aufgaben unterschiedlicher Komplexität niederschlägt. Neben zu geringer Motivation kann auch Übermotivation ein Grund für Leistungseinbußen sein. Bei kumulativen Leistungen sind zudem die dafür relevanten Fähigkeiten zu beachten, denn erst aus der Interaktion zwischen Fähigkeit und Motivation lassen sich Rückschlüsse über die Qualität langfristig orientierter Leistungen ziehen. Die Aussagen, die das Risikowahl-Modell zur Wirkung der Misserfolgsmotivation trifft, konnten nie eindeutig bestätigt werden, was vermutlich seinen Grund darin hat, dass Misserfolgsangst kein reines Vermeidungsmotiv ist. Relativ wenig Aufmerksamkeit wurde der direkten Prüfung der Kernannahmen des Risikowahl-Modells geschenkt. Die Ergebnisse zur Valenz von Erfolg und Misserfolg sowie zur subjektiven Einschätzung von Erfolgswahrscheinlichkeiten deuten darauf hin, dass das tatsächliche Leistungsverhalten entweder von den Symmetrieannahmen des Risikowahl-Modells abweicht (z. B. hinsichtlich der Bevorzugung von Aufgaben erhöhter statt nur mittlerer Schwierigkeit) oder dass es bislang nicht ausreichend gelungen ist, die Modellvariablen (z. B. Erfolgswahrscheinlichkeiten) so zu messen, dass sie eine exakte Prüfung des Modells ermöglichen.
• Erfolgs- und Misserfolgsmotivation können als zwei in sich stabile Gleichgewichtssysteme beschrieben werden, in denen eine bestimmte Direktive die Handlungssteuerung übernimmt und durch affektive Prozesse (Selbstbewertungsemotionen) fortlaufend bestätigt bzw. bekräftigt wird. Die für Erfolgsmotivierte charakteristische Direktive, Kompetenz zu erwerben und das eigene Können zu vervollkommnen, wird durch anspruchsvolle Ziele, selbstwertfördernde Attributionen und positive Leistungsemotionen gestützt. Eine solche Direktive bildet sich am ehesten aus, wenn bei der Selbst- und Fremdbewertung individuelle Bezugsnormen angelegt werden, sodass Leistung mit eigener Anstrengung und Ausdauer kovariiert. Misserfolgsmotivation wird hingegen negativ verstärkt, indem die Bedrohung des Selbstwerts durch defensives und selbstbehinderndes Verhalten reduziert wird (z. B. unrealistische Ziele und geringe Anstrengung). Die zugehörige Direktive, den Selbstwert zu schützen, wird durch soziale Bezugsnormen und Erfahrungen der Überforderung herausgebildet. Für die Modifikation der Misserfolgsmotivation ist es am vielversprechendsten, wenn Zielsetzung, Kausalattribution und leistungsthematische Affekte gemeinsam in Richtung auf eine durch Erfolgszuversicht geprägte Motivation verändert werden. In natürlichen Leistungssituationen, wie z. B. im Schulunterricht, kann dies dadurch erreicht werden, dass soziale Vergleichsmaßstäbe durch individualisierte Rückmeldungen ergänzt und angereichert werden.

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