• Macht und Dominanz und mithin deren Ungleichverteilung zwischen Individuen, Gruppen oder Staaten gehören zu den Universalien menschlichen Zusammenlebens. Die motivationalen Grundlagen dafür dürften deshalb zur genetischen Basisausstattung des Menschen und sehr wahrscheinlich auch der nichtmenschlichen Primaten gehören. Entsprechend vielfältig sind im Humanbereich die Möglichkeiten der Einflussnahme. Sie reichen von einem bewussten Abwägen von Kosten-Nutzen-Relationen bis hin zur unbewussten Demonstration von Macht etwa in der Gestik und Mimik. Angestrebtes Motivziel sind in jedem Falle die emotionalen Konsequenzen, die aus einem Akt der Machtausübung resultieren.
• Die Messung von Motivunterschieden erfolgte bislang ausschließlich mithilfe von Verfahren, die das Machtmotiv bildsituativ anregen. Die Anwendung dieser Verfahren hat zu einer breit gefächerten Befundfülle geführt, die von der Aufhellung interindividueller Motivunterschiede in experimentellen Spielsituationen bis hin zur Erfassung nationaler Unterschiede im Bewertungsklima für Macht reichen.
• Da es sich beim Machtmotiv um ein stammesgeschichtlich »altes« Motivsystem handelt, ist auch die Äußerung des Machtmotivs im Erleben und Verhalten auf der Ebene neurobiologischer Faktoren nachweisbar. Erfolgreiche Betätigung des Machtmotivs ist in der Regel mit gesteigerter biologischer Fitness und Wohlbefinden verbunden, während ein gestresstes und gehemmtes Machtmotiv mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen verbunden ist.
• Macht und die Ungleichheit ihrer Verteilung ist ein so universelles Organisationsprinzip für tierliche und menschliche Sozietäten, dass sich verschiedenartige Analyseebenen – soziobiologische, psychologische, soziologische und politologische – anbieten. Im Zentrum einer motivationspsychologischen Analyse steht natürlich die Motivausstattung des Individuums sowie die Anreize, die machtbezogenes Verhalten auslösen; sei es, dass sie die machtausübende Person anregen, in machtthematischer Weise zu agieren oder dass sie die machtempfangende Person anregen, einem fremden Machtanspruch nachzukommen. Der zentrale Bestandteil eines solchen Anreizmechanismus für die Ausübung von Macht besteht in dem Erlebnis von Kontrolle und den entsprechenden Affektkonsequenzen. Dieser Erlebniskomplex ist nicht an Bewusstheit gebunden und dürfte deshalb sowohl im Humanbereich als auch bei infrahumanen Lebewesen ein zentrales Regulationsprinzip darstellen. Sofern im Humanbereich der Austausch von Macht nicht durch schnelle, automatische und unbewusst ablaufende Prozesse (z. B. Blicke, Mimik, Gestik) geregelt wird, kann auch ein aufwändiger Abwägungs- und Planungsprozess stattfinden, der die eigenen Machtquellen und Ressourcen, die Stärken und Schwächen der beteiligten Parteien, hemmende und förderliche Faktoren und schließlich die zu erwartenden Folgen ins Kalkül zieht und dann die eigenen Machtquellen strategisch einsetzt. Motivbasierte Untersuchungen im Humanbereich beruhen fast ausschließlich auf Motivmessverfahren, die das Machtmotiv bildsituativ anregen und im Anschluss motivspezifische Inhalte für aufsuchende und meidende Tendenzen des Machtmotivs berechnen. In diesen Untersuchungen zeigt sich das Bild einer machtmotivierten Persönlichkeit, die gern Macht und Kontrolle ausübt, die Intentionen ihrer Partner schnell erkennt und darauf reagiert, aber auch gerne mit ihren Ressourcen prahlt und einem ausschweifenden Leben (Alkohol, Sex, Glücksspiel) nicht abgeneigt ist. Wird bei hoch machtmotivierten Personen das Machtmotiv in seiner Ausübung gehemmt, gleichgültig ob durch innere oder äußere Faktoren, so führt das häufig zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen, von denen besonders das Immunsystem betroffen ist. Bei Personen des Wirtschaftslebens und der Politik spielt das Machtmotiv bekanntermaßen eine wichtige Rolle. Hoch machtmotivierte Personen mit gleichzeitig hohem Leistungsmotiv sind in der Wirtschaft besonders erfolgreich. Dass Politiker ein besonderes Verhältnis zur Macht haben, ist nicht überraschend; häufig ist Macht das Einzige, mit dem Politiker halbwegs kompetent umgehen können. Zur erfolgreichen Führungspersönlichkeit gehört jedoch mehr: »Charisma«, die Fertigkeit auch die Gefolgsleute und Bürger an dem Gefühl von Macht, Effizienz und Kontrolle teilhaben lassen zu können. Machtthematik als Bestandteil eines gesamtgesellschaftlichen Erlebens- und Bewertungsklimas ist außerdem ein Risikofaktor für nach außen gerichtete Gewaltanwendung, wenn es nicht gleichzeitig durch ein Anschlussmotiv moderiert wird.

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