David G. Myers

Inhalt

  • 10.1 Denken
    • 10.1.1 Begriffe
    • 10.1.2 Problemlösen: Strategien und Hindernisse
    • 10.1.3 Entscheidungsfindung und Urteilsbildung
    • 10.1.4 Teilen andere Spezies unsere kognitiven Fähigkeiten?
  • 10.2 Sprache
    • 10.2.1 Struktur und Aufbau von Sprache
    • 10.2.2 Sprachentwicklung
    • 10.2.3 Gehirn und Sprache
    • 10.2.4 Verfügen andere Arten über Sprache?
  • 10.3 Denken und Sprache
    • 10.3.1 Einfluss der Sprache auf das Denken
    • 10.3.2 Denken in Bildern
  • 10.4 Kapitelrückblick
    • 10.4.1 Verständnisfragen
    • 10.4.2 Schlüsselbegriffe
    • 10.4.3 Weiterführende deutsche Literatur

 

Zusammenfassung

 

Denken

Kognition ist ein Begriff, mit dem alle mentalen Aktivitäten abgedeckt sind, die mit Denken, Wissen, Erinnerung und Kommunizieren zusammenhängen.

Wir verwenden Begriffe, um die Welt um uns herum zu vereinfachen und zu ordnen. Aufgrund von Ähnlichkeiten teilen wir Gruppen von Gegenständen, Ereignissen, Ideen oder Menschen in Kategorien ein. Dadurch, dass wir Hierarchien schaffen, unterteilen wir diese Kategorien in kleinere und detailliertere Einheiten. Andere Begriffe (z. B. Dreieck) bilden wir durch Definition (geometrische Figur aus 3 Punkten, die nicht auf einer Gerade liegen und durch Strecken miteinander verbunden werden). Die meisten Begriffe entstehen jedoch in Zusammenhang mit Prototypen, d. h. typischen Beispielen für eine Kategorie. Indem wir Gegenstände und Ideen mit Prototypen abgleichen, können wir auf effiziente Weise und in Sekundenschnelle entscheiden, ob etwas in eine spezifische Kategorie gehört oder nicht.

Ein Algorithmus ist eine Zusammenstellung von Regeln und Verfahrensweisen (z. B. ein Rezept für Plätzchen oder eine detaillierte Beschreibung, was man tun muss, um ein Gebäude bei einem Feuer zu evakuieren), die zeitaufwendig, aber gründlich durchdacht ist und eine Problemlösung gewährleistet. Eine Heuristik ist eine einfachere Denkstrategie (z. B. zum Ausgang zu laufen, wenn man dicke Rauchschwaden riecht), die es gestattet, Probleme schnell zu lösen, was sich jedoch manchmal als inkorrekt erweist. Eine Einsicht ist wieder etwas anderes, weil es sich hier nicht um eine Lösung handelt, die auf einer Strategie beruht, sondern um eine Aha-Reaktion - ein Geistesblitz, mit dem man ein Problem löst.

Die Bestätigungstendenz führt dazu, dass wir unsere Hypothesen eher bestätigt sehen, als diese in Frage zu stellen. Eine Fixierung wie ein mentales Set und die funktionale Gebundenheit können uns dazu verleiten, eine Argumentationslinie zu verfolgen, und uns davon abhalten, einen neuartigen Blickwinkel einzunehmen, von dem aus wir das Problem lösen könnten.

Die Repräsentativitätsheuristik bringt uns dazu, die Wahrscheinlichkeit von Dingen danach zu beurteilen, wie sehr sie unseren Prototyp für eine Gruppe von Dingen repräsentieren. Die Verfügbarkeitsheuristik verführt uns dazu, die Wahrscheinlichkeit von Dingen danach zu beurteilen, wie lebendig sie für uns sind und wie schnell sie in unser Bewusstsein treten. Beide Formen der kurzen Wege beim Denken können uns dazu verleiten, von wichtigen Informationen keine Notiz zu nehmen oder die Wahrscheinlichkeit, dass etwas eintritt, zu unterschätzen.

Der Hauptnachteil der Selbstüberschätzung besteht darin, dass unsere Tendenz, nach Bestätigung für unsere Hypothesen zu suchen und daher eine schnelle und einfache Heuristik zu verwenden, uns manchmal unsere Fehleranfälligkeit übersehen lässt - ein Irrtum, der tragisch sein kann, wenn wir in einer verantwortlichen Position sind. Auf einer persönlichen Ebene jedoch neigen Menschen, die sich selbst überschätzen, dazu, ein glücklicheres Leben zu führen, schwierige Entscheidungen leichter zu treffen und scheinbar glaubwürdiger zu sein.

Eine Fragestellung lässt sich auf unterschiedliche, aber gleichermaßen logische Weise darstellen (framing); doch die subtile Art, wie man sie formuliert, kann uns in die vom Fragesteller gewünschte Richtung lenken. (Denken Sie z. B. an »Glauben Sie, die Menschen sollten die Freiheit haben, in der Öffentlichkeit zu rauchen?« im Gegensatz zu »Glauben Sie, Raucher sollten das Recht haben, die Lungen der Nichtraucher einem Rauch aus zweiter Hand auszusetzen?«.)

Wir neigen dazu, Schlussfolgerungen, die mit unseren Überzeugungen übereinstimmen, als logischer zu beurteilen als diejenigen, die nicht zu unseren Überzeugungen passen. Diese Überzeugungsverzerrung verleitet uns möglicherweise dazu, nicht gültige Schlussfolgerungen zu akzeptieren und gültige abzulehnen.

Beharren auf Überzeugungen bedeutet, dass man an seinen Ideen festhält, weil die ursprünglich einmal als gültig akzeptierte Begründung innerlich in uns nachwirkt, selbst wenn sie zweifelhaft ist. Das beste Mittel gegen diese Form der Verzerrung besteht darin, dass man sich bemüht, Belege für die Gegenposition zu bedenken.

Obwohl uns die Intuition manchmal in die Irre führt, kann sie bemerkenswert leistungs- und anpassungsfähig sein. Wenn wir uns z. B. mit einem Wissensgebiet befassen, lernen wir immer besser, schnelle und sachkundige Urteile zu fällen. Kluge Denker werden ihre Intuitionen nutzen, sie jedoch daraufhin überprüfen, ob sie mit den zur Verfügung stehenden Befunden übereinstimmen.

 

Sprache

Alle Sprachen bestehen aus den gleichen grundlegenden Einheiten. Phoneme sind die grundlegenden Lauteinheiten in einer Sprache. Morpheme sind die elementaren Bedeutungseinheiten; einige sind Wörter (wie das englische I), bei den meisten jedoch handelt es sich um Elemente, wie etwa Vorsilben (be-) oder Nachsilben (-te). Die Grammatik ist ein System von Regeln (mentale Regeln, nicht Regeln, wie sie im Deutschunterricht gelehrt werden), die uns dazu befähigen, zu kommunizieren und andere zu verstehen. Die Semantik ist Teil der Grammatik und besteht aus einem Satz von Regeln zur Ableitung einer Bedeutung in einer vorgegebenen Sprache. Die Syntax ist auch Teil der Grammatik und besteht aus einem Satz von Regeln zur Ordnung von Wörtern in Sätze.

Der Ablauf des Spracherwerbs vom Lallstadium bis zu Zweiwortsätzen:

  • Mit etwa 4 Monaten lallen Säuglinge und geben eine breite Vielfalt von Lauten von sich, die man in Sprachen überall auf der Welt vorfindet.
  • Mit etwa 10 Monaten enthält ihr Lallen nur noch die Laute, die sich in ihrer Zielsprache finden lassen.
  • Ungefähr mit 12 Monaten sprechen Kleinkinder in einzelnen Wörtern.
  • Vor dem 2. Geburtstag entwickelt sich dieses Einwortstadium zu Zweiwortäußerungen.
  • Kurz danach fangen die Kinder an, in ganzen Sätzen zu sprechen.

 

Wann genau diese Stadien durchlaufen werden, ist von Kind zu Kind leicht unterschiedlich, doch bei allen Kindern wird diese Reihenfolge durchlaufen.

Der Beitrag Skinners zur Anlage-Umwelt-Debatte über den Spracherwerb bei Kindern: Nach Auffassung des Behavioristen Skinner (er steht für die Umweltbetonung in der Debatte über die Sprachentwicklung) geschieht der Erwerb der Sprache bei Kindern durch die bekannten Lernmechanismen:

  • Kopplung (des Aussehens von Dingen mit den Lauten von Wörtern),
  • Imitation (der Wörter und der Syntax bei anderen Menschen) und
  • Verstärkung (mit Lächeln und Umarmungen, nachdem etwas Richtiges gesagt wurde).

 

Der Beitrag Chomskys zur Anlage-Umwelt-Debatte über den Spracherwerb bei Kindern: Der Linguist Chomsky (er steht für die Anlagebetonung in der Debatte) widerspricht dem und argumentiert, dass wir von Geburt an eine Spracherwerbsmaschine hätten, die uns biologisch für das Erlernen der Sprache disponiert. Als Beleg dafür führt er Befunde zugunsten einer über unsere Spezies hinweg vorhandenen Sprache und eine ihr zugrunde liegenden Universalgrammatik an, die enorme Schnelligkeit, mit der Kinder ihren Wortschatz erwerben, und die übereinstimmende Abfolge der Stufen der Sprachentwicklung. Statistisches Lernen ist die Fähigkeit, Sprachmuster zu entdecken (wie etwa die Pausen zwischen den Silben).

Die Kindheit ist eine sensible Phase für das Lernen der Lautsprache und der Gebärdensprache: Kinder, die die Sprache nicht in dieser frühen Phase lernen, verlieren die Fähigkeit, eine Sprache vollständig zu beherrschen.

 

Denken und Sprache

Die Hypothese des linguistischen Determinismus besagt, dass die Sprache das Denken bestimmt. Aber richtiger ist wohl, dass die Sprache das Denken beeinflusst. Worte vermitteln Ideen, und die Forschung zu bilingualen Menschen zeigt, dass unterschiedliche Sprachen mit unterschiedlichen Denkweisen verbunden sind. Untersuchungen zur Verwendung der maskulinen Wortformen als Oberbegriff zeigen, dass subtile Vorurteile mit Hilfe der Worte weitergegeben werden können, die wir wählen, um unsere Gedanken im Alltag zum Ausdruck zu bringen. Einige Befunde deuten darauf hin, dass die Erweiterung des Wortschatzes zur Verbesserung der Denkfähigkeit beiträgt.

Wir denken oft in Bildern, wenn wir das prozedurale Gedächtnis nutzen - unser unbewusstes Gedächtnissystem für motorische und kognitive Fertigkeiten und konditionierte Assoziationen. Forscher haben herausgefunden, dass Denken in Bildern besonders nützlich ist, um sich mental auf bevorstehende Ereignisse vorzubereiten, und dass sich dadurch unsere Fähigkeiten tatsächlich verbessern lassen.

 

Denken und Sprache bei Tieren

5 kognitive Fertigkeiten, die Menschenaffen und Menschen gemeinsam sind:

  • Sowohl Menschen als auch Menschenaffen bilden Begriffe,
  • zeigen Einsicht,
  • verwenden und schaffen sich Werkzeuge,
  • geben kulturelle Errungenschaften weiter und
  • haben eine Theory of Mind (dazu gehören die folgenden Fähigkeiten: Schlussfolgern, Erkennen der eigenen Person, Empathie, Nachahmung und Verstehen, was der andere denkt).

 

Sowohl Tiere als auch Menschen besitzen sprachliche Ausdrucksfähigkeit: Bienen tanzen, um etwas über die Richtung und die Entfernung einer Nahrungsquelle mitzuteilen, Papageien sortieren Gegenstände nach ihrer Anzahl, Hunde verstehen und reagieren auf komplizierte Befehle von Menschen. Affen verschiedener Arten haben gelernt, durch Gebärdensprache oder durch Drücken von Tasten an einem Computer mit Menschen zu kommunizieren. Diese Affen entwickelten einen Wortschatz mit Hunderten von Wörtern, sie kommunizierten, indem sie diese Wörter miteinander verketteten, und brachten diese Fähigkeiten ihren Jungen bei, die - wie Menschen - gewöhnlich die Fähigkeiten am einfachsten und am gründlichsten erwerben, wenn sie ganz klein sind. Trotzdem wiesen Forscher auf einen wichtigen Unterschied in der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit von Affe und Mensch hin: Nur Menschen können die komplexen Regeln der Syntax im verbalen Ausdruck oder in der Gebärdensprache beherrschen.

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