David G. Myers

Inhalt

  • 2.1 Die Notwendigkeit der Psychologie als Wissenschaft
    • 2.1.1 Wussten wir das schon lange? Verzerrung durch nachträgliche Einsicht (Hindsightbias)
    • 2.1.2 Übertriebene Selbstsicherheit
    • 2.1.3 Wahrnehmung von Ordnung bei zufälligen Ereignissen
    • 2.1.4 Die wissenschaftliche Haltung: Neugierig, skeptisch und bescheiden
    • 2.1.5 Kritisches Denken
  • 2.2 Wie stellen und beantworten Psychologen Fragen?
    • 2.2.1 Die wissenschaftliche Methode
    • 2.2.2 Beschreibung
    • 2.2.3 Korrelation
    • 2.2.4 Experiment
  • 2.3 Statistische Argumentation im Alltagsleben
    • 2.3.1 Datenbeschreibung
    • 2.3.2 Signifikante Unterschiede
  • 2.4 Häufig gestellte Fragen zur Psychologie
  • 2.5 Kapitelrückblick
    • 2.5.1 Verständnisfragen
    • 2.5.2 Schlüsselbegriffe
    • 2.5.3 Weiterführende deutsche Literatur

 

Zusammenfassung

 

Brauchen wir die wissenschaftliche Psychologie?

  • Der Hindsightbias, der Verzerrungseffekt durch nachträgliche Einsicht (»Rückschaufehler«), ist die Tendenz, nachdem wir ein Ergebnis zur Kenntnis genommen haben, zu glauben, dass wir es vorhergesehen hätten. Wenn man also von einem Ergebnis erfährt, kann dies den Anschein erwecken, als hätte man schon mit dem gesunden Menschenverstand darauf kommen können. Die wissenschaftliche Untersuchung und kritisches Denken können dazu beitragen, dieser Tendenz zur Überschätzung unserer bloßen Intuition entgegenzuwirken.
  • Übertriebene Selbstsicherheit trübt unser Urteil: Wir sind gewöhnlich viel zu sehr von unseren eigenen Urteilen überzeugt. Dies geht zum Teil auf unseren Bias zurück, nach Informationen zu suchen, mit deren Hilfe sich unsere Urteile als richtig erweisen. Die Wissenschaft mit ihren Methoden zum Sammeln und Sichten von Befunden, schränkt die Irrtumsmöglichkeiten ein, indem sie uns die Grenzen der Intuition und des gesunden Menschenverstands überschreiten lässt.
  • Wissenschaftliche Haltung fördert kritisches Denken: Obwohl ein wissenschaftlicher Ansatz auf überprüfbare Fragen beschränkt bleibt, die man mit seiner Hilfe beantworten kann, trägt er dazu bei, zwischen Realität und Täuschung zu unterscheiden. Wissenschaftliches Fragen beginnt mit einer bestimmten Haltung, nämlich einer neugierigen Bereitschaft zur skeptischen Prüfung miteinander konkurrierender Ideen; hinzu kommt eine Offenheit auch gegenüber empirischen Ergebnissen, die den eigenen Vorstellungen widersprechen. Diese Einstellung bringt kritisches Denken auch in unseren Alltag; es überprüft Annahmen, erkennt versteckte Werte, bewertet Befunde und ordnet Ergebnisse kritisch ein.
  • Wissenschaftliche Forschung lässt sich durch psychologische Theorien leiten: Psychologische Theorien bringen Ordnung und System in Beobachtungen und führen zu Hypothesen, die eine Vorhersage erlauben. Nachdem die Wissenschaftler präzise operationale Definitionen ihrer Vorgehensweisen entwickelt haben, überprüfen sie ihre Hypothesen, validieren und optimieren die Theorie und schlagen ggfs. praktische Anwendungen vor.

 

Die Beschreibung

  • Forscher, die Fallstudien einsetzen, konzentrieren sich in starkem Maße auf ein Individuum; sie haben dabei die Hoffnung, dass sie universelle Prinzipien zutage fördern. Fallstudien beschreiben Verhalten. Mit ihrer Hilfe kann man zu Hypothesen kommen, aber die Untersuchung eines nicht repräsentativen Individuums kann zu falschen Schlussfolgerungen führen.
  • Aufgrund von Befragungen lässt sich Verhalten beschreiben, indem man Informationen bei einer großen Anzahl von Personen sammelt. Diese Technik baut darauf, dass die Menschen ihre Einstellungen oder Verhaltensweisen korrekt selbst beschreiben. Auswirkungen von Formulierungen - subtile Einflüsse durch die Reihenfolge und den Wortlaut der Fragen - können sich auf die Antworten auswirken. Die Ziehung einer Zufallsstichprobe trägt dazu bei, dass die Forscher eine Stichprobe erhalten, die einigermaßen repräsentativ für die Population ist, die untersucht werden soll. Weil bei einer Zufallsstichprobe Personen zufällig ausgewählt werden, hat jede Person in der Gesamtgruppe die gleiche Chance teilzunehmen.
  • Die Beobachtung in einer natürlichen Umgebung ermöglicht es den Forschern, sich das Verhalten in natürlicherweise auftretenden Situationen anzusehen und es aufzuzeichnen. Wie bei anderen Formen der Beschreibung lassen sich Verhaltensweisen bei Beobachtung in einer natürlichen Umgebung nicht erklären. Aber sie kann unser Verständnis vertiefen und kann zu Hypothesen führen, die mit Hilfe anderer Methoden untersucht werden können.

 

Korrelation

  • Der Korrelationskoeffizient ist ein statistisches Maß für die Stärke und Dauerhaftigkeit eines Zusammenhangs zwischen zwei Faktoren. Bei einer positiven Korrelation (von größer als 0 bis +1,00) wachsen die beiden Faktoren zusammen an und nehmen zusammen wieder ab. Bei einer negativen Korrelation (von kleiner als 0 bis -1,00) nimmt eine Variable in dem Maße zu, wie die andere abnimmt.
  • Eine Korrelation ist ein Hinweis auf einen möglichen Ursache-Wirkungs- Zusammenhang; aber sie ist kein Beweis für Kausalität oder, wenn Kausalität vorhanden ist, für die Richtung des Einflusses. Ursache für die Korrelation kann ein dritter Faktor sein.
  • Illusorische Korrelationen sind zufällige Ereignisse, die wir bemerken und bei denen wir einen Zusammenhang zu erkennen glauben. Sie sind aus unserer Anfälligkeit für dramatische oder ungewöhnliche Ereignisse zu erklären. Glauben wir erst einmal, dass zwei Dinge zusammenhängen, dann neigen wir dazu, Beispiele zu beobachten und zu erinnern, durch die diese Überzeugung bestätigt wird.
  • Die Tendenz in zufälligen Ereignissen Ordnung wahrzunehmen: Bei dem Versuch, die der Welt um uns herum einen Sinn zu geben, suchen wir nach Mustern. In Mengen zufälliger Daten kommen natürlich Muster und Sequenzen vor, aber wir neigen dazu, diese Muster als bedeutungsvolle Zusammenhänge zu interpretieren.

 

Das Experiment

  • Psychologen führen Experimente durch, um Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung aufzudecken. Durch die Manipulierung eines oder mehrerer interessierender Faktoren und durch die Kontrolle anderer Faktoren lässt sich feststellen, ob die unabhängigen Variablen ein bestimmtes Verhalten oder einen mentalen Prozess beeinflussen.
  • Beim Doppelblindversuch wissen weder die Forscher noch die Versuchsteilnehmer, ob die Versuchsteilnehmer die Behandlung oder ein Placebo bekommen. Dies wirkt der Möglichkeit entgegen, dass ein Placeboeffekt oder die Erwartungen des Forschers unabsichtlich die Ergebnisse der Studie beeinflussen. Durch eine Zufallszuweisung zu den Bedingungen werden die vorher bestehenden Unterschiede zwischen den Gruppen möglichst gering gehalten. Die Teilnehmer werden per Zufall der Experimentalgruppe (der Gruppe, die die Behandlung bekommt) oder der Kontrollgruppe (einer Gruppe, die keine Behandlung oder eine andere Variante der Behandlung bekommt) zugewiesen. In vielen Versuchen werden äußere Einflüsse durch die Zufallszuweisung der Versuchspersonen zu einer Experimental- oder einer Kontrollgruppe kontrolliert. Die Teilnehmer der Experimentalgruppe erhalten eine Behandlung, die Kontrollgruppe bekommt keine oder eine andere Behandlung.
  • Die unabhängige Variable ist der Faktor, den man manipuliert, um den Effekt zu untersuchen. Die abhängige Variable ist der Faktor, den man misst, um etwaige Veränderungen aufzudecken, die in Reaktion auf diese Manipulationen auftreten.

 

Grundlagen statistischer Argumentation

  • Statistiken helfen uns dabei, Daten zu ordnen, sie zusammenfassen und aus ihnen Schlüsse zu ziehen. Wir müssen uns nicht an komplizierte Formeln erinnern, um klarer und kritischer mit den Daten umzugehen, mit denen wir im Alltag zu tun haben. Wenn wir beispielsweise ein Verständnis für statistische Konzepte entwickelt haben, so lehrt uns das, wie wichtig es ist, Zweifel gegenüber großen runden Zahlen zu haben, die noch dazu undokumentiert sind.
  • Der Median ist der mittlere Wert einer Menge von Daten. Der Modalwert ist der Wert, der am häufigsten auftritt. Der Mittelwert, das arithmetische Mittel, wird am leichtesten durch einige wenige sehr große oder sehr geringe Werte beeinflusst.
  • Maße der Variabilität sagen etwas darüber aus, wie ähnlich oder unterschiedlich Daten untereinander sind. Die Variationsbreite gibt den Unterschied zwischen dem größten und dem kleinsten Wert an. Das nützlichere Maß ist die Standardabweichung; sie gibt an, wie stark die Werte um den Mittelwert oder um den durchschnittlichen Wert streuen.
  • Drei Prinzipien, mit deren Hilfe man über Stichproben hinweg generalisieren kann: 
  1. Repräsentative Stichproben sind besser als verzerrte Stichproben.
  2. Weniger variierende Beobachtungen sind zuverlässiger als jene, die eine größere Variation aufweisen.
  3. Mehr Fälle sind besser als wenige.
  • Wenn die Mittelwerte zweier Stichproben jeweils reliable Maße ihrer Populationen sind und die Unterschiede relativ groß sind, können wir annehmen, dass der Unterschied signifikant ist - dass der Unterschied also nicht nur auf den Zufall zurückgeht. Statistische Signifikanz ist ein Indikator für die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Ergebnis auftritt, nicht für die Bedeutsamkeit des Ergebnisses.

 

Häufig gestellte Fragen zur Psychologie

  • Bedeutung vereinfachter Laborbedingungen: Wissenschaftler schaffen im Labor eine kontrollierte, vereinfachte Umwelt, die sie kontrollieren können, und testen dort die theoretischen Grundlagen eines bestimmten Verhaltens. Es geht ihnen nicht um das spezielle Verhalten, das sie untersuchen, sondern eher um die zugrunde liegenden allgemeinen Prinzipien, mit deren Hilfe man viele Verhaltensweisen besser erklären kann.
  • Kommen wir in andere Kulturen, stoßen wir scheinbar auf andere Einstellungen und Verhaltensweisen. Doch die Grundlagen sind allen Menschen gemeinsam; dies liegt zum Teil an ihrem gemeinsamen biologischen Ursprung. Die Biologie bestimmt auch über unser Geschlecht; aber durch die Kultur werden Erwartungen gegenüber dem aufgebaut, was es bedeutet, eine Frau oder ein Mann zu sein. Frauen und Männer unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht, aber sie sind in biologischer und psychologischer Hinsicht eher ähnlich als unterschiedlich.
  • Tierversuche: Psychologen untersuchen Tiere manchmal aus Interesse an ihrem Verhalten, manchmal aber auch, weil die Kenntnis der physiologischen und psychologischen Prozesse bei Tieren zum besseren Verständnis der ähnlich ablaufenden Prozesse beim Menschen beiträgt. Gemäß den berufsethischen und gesetzlichen Richtlinien darf Tieren bei psychologischen Versuchen nur in seltenen Fällen Schmerz zugefügt werden. Tierschutzgruppen weisen indessen auf eine wichtige Grundsatzfrage hin: Darf man einem Tier zeitweilig Leid zufügen, auch wenn dies letztlich geschieht, um menschliches Leiden zu verringern?
  • Um etwas Wichtiges in Erfahrung zu bringen, werden bei manchen Experimenten die Teilnehmer einem kurzen Stress ausgesetzt oder über den Zweck des Versuchs gar nicht oder falsch informiert. Die berufsethischen Standards für Versuche ergeben Richtlinien für den Umgang mit Versuchsteilnehmern, und die Ethikausschüsse der Universitäten kontrollieren, dass korrekt mit den Versuchsteilnehmern umgegangen wird.
  • Psychologie wird nicht wertfrei ausgeübt. Die Wertvorstellungen der Psychologen beeinflussen ihre Wahl des Forschungsthemas, ihre Theorien, Beobachtungen, Verhaltensbezeichnungen und die Ratschläge, die sie als professionelle Therapeuten erteilen.Wie in anderen Bereichen auch ist Wissen eine Macht, die für gute oder schlechte Zwecke benutzt werden kann. Psychologie hat die Macht zu täuschen, bisher jedoch wurde die Psychologie in der Mehrzahl der Fälle für gute Ziele verwendet. Die Psychologie kann dazu beitragen, dass wir unsere Ziele erreichen, aber sie kann nicht darüber entscheiden, um welche Ziele es sich handeln sollte.

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