Kapitel 8 - Alternativen zur empirisch-statistischen Verallgemeinerung

Margrit Schreier & Nicole Weydmann

 

  • Moderatum-Verallgemeinerungen (moderatum generalizations: Williams, 2002): Moderatum-Verallgemeinerungen liegt die Annahme zugrunde, dass manche sozialen Phänomene (beispielsweise Fankulturen, Glücksspiel usw.) strukturell konsistent bzw. invariant sind. Das bedeutet, dass beliebige Einzelfälle in struktureller Hinsicht für die Grundgesamtheit repräsentativ sind und es daher auch legitim ist, von der Struktur des Einzelfalls auf die Struktur anderer Einzelfälle zu schließen. 

 

  • Übertragbarkeit: Ausgangspunkt für dieses Alternativkonzept ist die Bedeutung der Kontextgebundenheit in der qualitativen Forschung. Statt von einem untersuchten Fall auf eine abstrakte Population zu verallgemeinern, wird die Übertragbarkeit der Ergebnisse für einen untersuchten Fall auf andere Fälle von der Ähnlichkeit der Kontextbedingungen und der Charakteristika der Fälle abhängig gemacht. Je höher die Ähnlichkeit, desto höher ist auch die Übertragbarkeit. Voraussetzung für die Einschätzung der Übertragbarkeit ist eine möglichst ausführliche, ‚dichte‘ Beschreibung (im Sinne von Geertz, 1973) der untersuchten Fälle (s. z.B. das Konzept der ‚fittingness‘ bei Lincoln & Guba, 1979).

 

  • Theoretische (analytische) Verallgemeinerung: Diese Form der Verallgemeinerung spielt vor allem in der Gegenstandsbezogenen Theoriebildung eine zentrale Rolle. Ziel ist dabei nicht die empirische Verallgemeinerung auf ein Kollektiv, sondern die Erstellung einer Theorie, in der diejenigen Faktoren erfasst sind, die unterschiedliche Ausprägungen im Gegenstandsbereich bedingen. Dabei besteht ein enger Zusammenhang mit der theoretischen Stichprobenziehung (vgl. Abschn. 5.4) und der Einbeziehung von Fällen mit minimaler und maximaler Verschiedenheit (Fallkontrastierung: Schreier, 2020).

 

Literatur

Geertz, C. (1993). The interpretation of cultures. Basic Books.

Lincoln, Y. S. & Guba, E. G. (1979). Naturalistic inquiry. Sage.

Schreier, M. (2020). Fallauswahl. In G. Mey & K. Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie (2. Aufl., Bd. 2, S. 19-39). Springer VS.

Williams, M. (2002). Generalization in interpretive research. In T. May (Hrsg.), Qualitative research in action (S. 125-143). Sage.

 

 

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