Kapitel 7 - Beispiel für Definitionen inhaltsanalytischer Kategorien

Margrit Schreier

 

Die folgenden Definitionen stammen aus dem Kategoriensystem von Odag (2007) im Rahmen ihrer Untersuchung des Leseerlebens von Männern und Frauen. Der folgende Ausschnitt aus dem sehr umfassenden und umfangreichen gesamten Kategoriensystem bezieht sich auf die Analyse von Gründen für die emotionale Beteiligung der Leser*innen. Es handelt sich lediglich um eine Auswahl aus fünf verschiedenen Gründen. Abgrenzungen zur Differenzierung der Unterkategorien waren in diesem Fall nicht nötig. Die vollständige Kategoriendefinition ist zur besseren Übersichtlichkeit nur für die erste Unterkategorie aufgeführt.

 

Ähnlichkeit
Dieser Grund wird als vorhanden eingestuft, wenn die emotionale Beteiligung der Leser/innen zurückgeht auf eine wahrgenommene Ähnlichkeit zwischen Leser/in und Figur bzw. ihrer Umwelt – wenn also Gemeinsamkeiten zwischen Leser/in und Figur oder zwischen der Welt der Leser/innen und der dargestellten Welt dazu führen, dass das Schicksal der Figuren entweder besonders hoch (quasi am eigenen Leib) oder aus der Beobachterperspektive emotional miterlebt wird. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Leser/innen mit Figurenschicksalen mitfühlen oder mitdenken, weil sie Ähnliches von sich ebenso kennen bzw. ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie die Figuren. Die Kategorie ist zum anderen auch dann zu kodieren, wenn die Ähnlichkeit zwischen Figur und Leser/in eine antizipierte ist, der/die Leser/in sich also vorstellt, dass sie in genau die gleiche Situation kommen kann und dann ähnlich handelt, denkt oder fühlt. Das Gleiche gilt auch für den Fall, dass Leser/innen Ähnlichkeiten zwischen ihrer eigenen Umwelt und der der Figuren als Gründe für ihr Rezeptionserleben hervorheben. (Beispiel: „Ich empfinde Angst, dass meine Beziehung auch so endet.“ Oder: „Musste daran denken, dass ich meine Oma um alles in der Welt wieder gesund machen möchte.“

 

Vorstellbarkeit bzw. Plausibilität
Dieser Grund gilt als vorhanden, wenn in den Erläuterungen der Leser und Leserinnen zum Ausdruck kommt, dass sie sich bestimmte Handlungen, Gedanken, Emotionen oder Motivationen der Figuren oder Eigenschaften in ihrer Umwelt gut vorstellen können, weil sie ihnen im Vergleich mit ihrem Weltwissen plausibel und nachvollziehbar erscheinen. […]

 

Bewunderung/Wunsch
Diese Kategorie wird als vorhanden eingestuft, wenn die Leser/innen die Figur der Erzählung bewundern, sie als besonders heldenhaft oder mutig beschreiben oder sich ausdrücklich wünschen, auch so zu handeln/denken/fühlen wie sie. […]

 

Unerwartete, unvertraute Erzählgegenstände
Diese Kategorie wird als vorhanden eingestuft, wenn Handlungen, Gedanken, Gefühle, Motivationen oder Eigenschaften der Protagonisten oder Eigenschaften ihrer Umwelt den Leser/innen ausgesprochen fremd erscheinen und im Extremfall eine Ablehnung oder Faszination auf Seiten des Lesers/der Leserin bewirken. […]

 

Sonstiges
Diese Kategorie ist dann als vorhanden zu kodieren, wenn weder Ähnlichkeit, Vorstellbarkeit, Bewunderung oder Fremdheit als Gründe für die emotionale Beteiligung an der Erzählung genannt werden, sondern andere Aspekte.“, (Odag, 2007, S. 312f.)

 

Literatur

Odag, Ö. (2007). Wenn Männer von der Liebe lesen und Frauen von Abenteuern… Eine empirische Rezeptionsstudie zur emotionalen Beteiligung von Männern und Frauen beim Lesen narrativer Texte. Pabst.

 

 

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