Kapitel 6 - Ethische Probleme im Interview

Margrit Schreier

 

Beim Interview kennen die Befragten in der Regel das Thema der Untersuchung, das meist mit dem Thema des Interviews identisch ist; von daher scheint das Interview auf den ersten Blick ein Verfahren zu sein, das keine ethischen Probleme beinhaltet (zu ethischen Problemen in der qualitativen Forschung allgemein s. Abschn. 8.3). Ganz so einfach liegen die Dinge jedoch nicht. Interviews, vor allem lebensgeschichtliche Interviews, können belastende Erinnerungen oder Konflikte wieder aufleben lassen; Interviewer*innen sollten daher entweder selbst über Beratungskompetenzen verfügen oder in der Lage sein, die Teilnehmer*innen weiter zu verweisen, falls durch das Interview Beratungsbedarf entsteht. Außerdem schafft ein gutes Interview eine vertrauensvolle Situation, in der die Teilnehmer*innen vielleicht mehr von sich erzählen, als sie dies intendiert hatten. Um daraus entstehende Probleme zu vermeiden, empfiehlt es sich, den Teilnehmer*innen das Transkript des Interviews zukommen zu lassen und ihnen die Möglichkeit zu geben, Äußerungen nachträglich zu streichen. Aber auch für die Interviewer*innen können sich, je nach Thema, Belastungen ergeben, etwa in Studien über Kriegserfahrungen, Flucht oder Erfahrungen mit sexueller Gewalt. Die Interviewer*innen sollten sich bei möglicherweise problematischen Themen vorab überlegen, ob sie tatsächlich in der Lage sind, die Berichte der Teilnehmer*innen zu verkraften.

 

 

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