Kapitel 6 - Go-alongs

Margrit Schreier

 

Go-alongs sind u.a. durch die folgenden Merkmale gekennzeichnet (Kusenbach, 2018):

  • Ortsbezug: Teilnehmer*innen und Forscher*innen bewegen sich gemeinsam an und in ausgewählten Orten. Dadurch werden ein geteilter Ortsbezug und ein gemeinsames Erleben von Orten und Wegen möglich; es entsteht ein geteilter Erfahrungs- und Erlebenshintergrund.
  • Personenbezug: Bei der Methode der Go-alongs geht es nicht um die Exploration von Raum an sich (im objektiven Sinn), sondern um die Exploration der Bedeutung, die bestimmte Orte oder bestimmte Wege im Raum für die Teilnehmer*innen haben (also um den je subjektiven Sinn).
  • Interaktivität: Die Erfassung der subjektiven Bedeutung von Orten ist nur in Interaktion mit den Teilnehmer*innen möglich. Dies beinhaltet sowohl das gemeinsame Gehen als auch das Gespräch.

 

Beispiel

Zur Manifestation sozialer Ungleichheit in Mobilität und Mobilitätserleben

Paola Jiron (2007) nutzte eine Kombination verschiedener Methoden, darunter auch Go-alongs, in ihrer Untersuchung über soziale Ungleichheit im städtischen Umfeld in Chile und darüber, wie sich soziale Ungleichheit im Kontext von Mobilität in der Stadt manifestiert. An ihrer Untersuchung nahmen 12 Familien mit je unterschiedlichem sozioökonomischem Hintergrund aus drei absichtsvoll ausgewählten Stadtbezirken teil. In einer ersten Untersuchungsphase führte sie Interviews mit allen Familienmitgliedern durch. Die Interviews beinhalteten auch eine Beschreibung eines typischen 24-Stunden-Tages; in Ergänzung zum Interview wurden die Familienmitglieder gebeten, ihr Bewegungsmuster durch die Stadt auf einer Karte einzuzeichnen. In der nächsten Untersuchungsphase ‚beschattete‘ Jiron die Teilnehmer*innen, d.h. sie begleitete sie durch ihren Tag, ab dem Zeitpunkt, als sie das Haus verließen, bis sie abends wieder nach Hause kamen. Daran schloss sich in einem letzten Schritt ein weiteres Interview zur Erläuterung dieses Tagesablaufs und der Bewegung durch die Stadt an. Jirons Beschreibungen dieser Tagesabläufe zeigen anschaulich, wie die Forscherin die Bewegungsabläufe durch die Stadt wortwörtlich am eigenen Leib erlebte, sowohl die Fahrten im völlig überfüllten Bus als auch den Gang durch leere nächtliche Straßen. Die Studie macht deutlich, wie unterschiedlich Mobilität in der Stadt von den Teilnehmer*innen erlebt wird, sowohl in Abhängigkeit vom Geschlecht als auch vom sozioökonomischen Hintergrund.

Im Rahmen der konkreten Implementierung von Go-alongs sind unterschiedliche Grade der Strukturierung möglich, sowohl in Bezug auf die Auswahl der Orte und Wege wie auch im Hinblick auf die Gestaltung der Interviews. Go-alongs können so gestaltet sein, dass die Initiative bei den Teilnehmer*innen liegt; die Forscher*innen folgen ihnen und ‚beschatten‘ sie quasi auf ihren üblichen Wegen, wie dies Jiron in ihrer Untersuchung zur Manifestation sozialer Ungleichheit in Bewegungsmustern durch den städtischen Raum realisiert hat. Alternativ können die Forscher*innen Vorgaben dahingehend machen, dass sie die Teilnehmer*innen bitten, sie durch vorgegebene Orte zu führen (etwa einen Park oder einen bestimmten Stadtteil). Je mehr die Initiative bei den Teilnehmer*innen liegt, desto offener gestalten sich auch die begleitenden Interviews; je stärker die Vorgaben hinsichtlich der Orte und Wege bei den Forscher*innen liegt, desto stärker strukturiert sind auch die Interviews.

 

Literatur

Jiron, M. P. (2008). Unravelling invisible inequalities in the city through urban daily mobility. The case of Santiago de Chile. Swiss Journal of Sociology, 33(1), 45-68.

Kusenbach, M. (2018). Go-alongs. In U. Flick (Ed.), The Sage handbook of qualitative data collection (pp. 344-361). Sage.

 

 

 

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