Kapitel 5 - Lebensweltanalytische Ethnografie

Margrit Schreier

 

Die lebensweltanalytische Ethnografie steht in der Tradition der Alltagssoziologie von Alfred Schütz (Schütz & Luckmann, 1979) und wurde im deutschsprachigen Raum u.a. weiterentwickelt von Anne Honer mit Schwerpunkt auf den „kleinen Lebenswelten“, beispielsweise von Heimwerker*innen (1993), sowie von Roland Girtler und Michaela Pfadenhauer, insbesondere in Richtung auf eine „Szenen-Ethnografie“ posttraditionaler Gemeinschaften (z.B. Hitzler & Pfadenhauer, 2001).

Charakteristisch für die lebensweltanalytische Ethnografie ist die Priorisierung der Innensicht der Teilnehmer*innen an den untersuchten Welten. Ziel ist es, diese Welten quasi durch die Augen der beteiligten Personen hindurch sehen zu lernen und am eigenen Leib zu erleben. Hier zeigt sich zugleich die zunehmende Betonung der Leiblichkeit in der neueren ethnografischen Forschung. Zentrale Methoden der Datenerhebung sind die teilnehmende Beobachtung (mit dem Schwerpunkt auf dem Aspekt der Teilnahme) sowie eine Form des Experten-Interviews, bei dem ein Gespräch auf Augenhöhe angestrebt wird. Um ein solches Interview führen zu können, müssen die Forscher*innen sich selbst zunächst auf den Wissensstand von Expert*innen bringen. Wie auch in der Ethnografie generell, werden diese beiden Methoden mit anderen Verfahren der Datenerhebung kombiniert. Bei der Auswertung kommen sowohl phänomenologische Verfahren als auch Verfahren der sozialwissenschaftlichen Hermeneutik zur Anwendung.

Innerhalb der lebensweltanalytischen Ethnografie zeichnet sich die Szenen-Ethnografie durch ihren inhaltlichen Schwerpunkt auf Formen post-traditionaler Vergemeinschaftung aus, wie beispielsweise Jugendkulturen oder Musikszenen wie Rave oder Hip-Hop. Unter Leitung von Roland Hitzler wurde beispielsweise an der Universität Dortmund das Netzportal Jugendszenen.com eingerichtet. Hier sind in allgemeinverständlicher Form die Ergebnisse Szenen-ethnografischer Forschung zu 25 verschiedenen Jugendkulturen dokumentiert. Diese inhaltliche Ausrichtung der Szenen-Ethnografie veranschaulicht zugleich die generelle Tendenz ethnografischer Forschung der Hinwendung zum Eigenen.

 

Literatur

Hitzler, R. & Pfadenhauer, M. (Hrsg.) (2001). Techno-Soziologie. Erkundungen einer Jugendkultur. Leske & Budrich.

Honer, A. (1993). Lebensweltliche Ethnografie. Ein explorative-interpretativer Forschungsansatz am Beispiel von Heimwerker-Wissen. Springer Fachmedien.

Schütz, A. & Luckmann, T. (1993). Strukturen der Lebenswelt. Suhrkamp.

 

 

 

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