Kapitel 1 - Webexkurs: Methoden am Rande des Forschungskontexts

Jana F. Bauer & Walter Hussy

 

Neben den Methoden die direkt aus dem Forschungskontext stammen und die dazu dienen wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, werden in der Psychologie und den Sozialwissenschaften auch außerhalb von Forschungskontexten verschiedene Methoden eingesetzt, die insbesondere in anwendungsbezogener Forschung ebenfalls Teil wissenschaftlicher Studien sein können. Zur Vervollständigung des Überblicks sollen diese daher zumindest gestreift werden. Es handelt sich um Methoden aus den anwendungsnahen Bereichen der Diagnostik, der Intervention und der Evaluation. Am Rande des Forschungskontextes bedeutet also, dass diese Methoden nicht allein und nicht primär in der wissenschaftlichen Forschung Anwendung finden.

 

Diagnostik

Definition

Die psychologische Diagnostik umfasst Vorgehensweisen, welche die Erfassung von Charakteristika von Personen, Personengruppen, Institutionen, Situationen etc. zum Ziel haben. Die Erfassung und Gewinnung von Charakteristika erfolgen zielgerichtet und systematisch mit wissenschaftlich fundierten Methoden, wie Testverfahren, Fragebögen, Verhaltensbeobachtungen und Anamnesen. Mit der Diagnostik wird das Ziel verfolgt, Erkenntnisse über die Merkmalsträger*innen (Proband*innen, Klient*innen, Patienten*innen) zu gewinnen und diese für eine Entscheidung über eine nachfolgende Maßnahme, wie Beratung, Therapie, Training etc., zu nutzen.

 

 

Im Kontext verschiedener Anwendungsbereiche wie Beratung (Erziehungsberatung, Laufbahnberatung usw.), Therapie, oder Training werden Methoden eingesetzt, die der Analyse und Erhebung von Eigenschaften und Merkmalen von Personen dienen und Diagnose- oder Testverfahren genannt werden.

Man gewinnt somit relevante Charakteristika von Merkmalsträger*innen und integriert diese Daten zu einem Urteil (Diagnose). Die Integration wird als diagnostische Urteilsbildung bezeichnet und beispielsweise in einem Gutachten festgehalten.

Neben den vielfältigen standardisierten Verfahren, die durch möglichst für alle Probanden gleichartig strukturierte und durchgeführte Methodik zu möglichst objektiven Vergleichsaussagen führen sollen, gibt es auch qualitative Verfahren, die über einzelne Individuen möglichst umfang- und facettenreiche Informationen zutage fördern sollen. Zu den bekanntesten qualitativen Testverfahren zählen beispielsweise der Rorschachtest als globaler Persönlichkeitstest oder der Thematische Apperzeptionstest (TAT) zur Erfassung der personenspezifischen Ausprägung verschiedener Motive. Dabei wird den Proband*innen Bildmaterial vorgelegt, das diese deuten oder zu dem sie Geschichten erzählen sollen. Diese Verfahren werden auch als projektive Tests bezeichnet.

 

Intervention

Definition

Unter einer Intervention versteht man in der Psychologie geplant und gezielt eingesetzte Maßnahmen, um Störungen vorzubeugen (Prävention), sie zu beheben (Psychotherapie) oder deren negative Folgen einzudämmen (Rehabilitation). Hinzu kommen Maßnahmen der Förderung (z. B. Gesundheitsförderung, Kompetenzförderung) bzw. Entwicklung (z. B. Personalentwicklung). Wie schon bei der Diagnostik ist auch hier deutlich zu erkennen, dass der Einsatz der Methoden praktischen Belangen dient.

 

Wie bereits angesprochen, dient die Diagnostik in der Regel als Grundlage, um eine passende (psychologische) Intervention (Beratung, Therapie, Training usw.) anzuschließen.

Um die vielfältigen Ziele in den genannten Feldern erreichen zu können, bedient man sich verschiedener Methoden der Therapie, der Beratung, des Coachings oder des Trainings.

 

Evaluation

Definition

Evaluation (Evaluierung) ist in der allgemeinen Bedeutung des Begriffs die Beschreibung, Analyse und Bewertung von Prozessen und Organisationseinheiten, insbesondere im Bildungsbereich, in den Bereichen Gesundheit und Entwicklungshilfe, der Verwaltung oder der Wirtschaft. Evaluation kann sich sowohl auf den Kontext (Voraussetzungen, Rahmenbedingungen), die Struktur, den Prozess als auch auf das Ergebnis (Produkt) beziehen.

 

Der Evaluation begegnen wir immer dann, wenn es darum geht, Sachverhalte, Personen oder Prozesse einzuschätzen, zu beurteilen oder zu bewerten. Die Überprüfung der Wirksamkeit einer Intervention stellt eine Evaluation dar.

Beschreibt und bewertet eine Studie die Leistungsfähigkeit von Absolvent*innen der Hauptschule, so würde es sich dabei um eine Evaluation des Produkts einer schulischen Bildungsinstitution handeln (Ergebnis- oder summative Evaluation). Anders als die Grundlagenforschung orientiert sich die Evaluation an den konkreten Fragen von Entscheidungsträger*innen, z. B. in der Bildungspolitik und -verwaltung, aber auch von Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern.

Wird basierend auf den Ergebnissen der (Grundlagen-)forschung nach praktischen Umsetzungsmöglichkeiten gesucht, spricht man von Intervention (s. oben). Die Bewertung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen (z. B. Therapie- oder Unterrichtsformen) fällt in den Bereich der Evaluation. Dabei kann es vorkommen, dass Interventions- und Evaluationsforschung nicht sequenziell, sondern auch parallel ablaufen (Prozess- bzw. formative Evaluation).

Damit ist die Evaluation auf ein breiteres Spektrum an Methoden angewiesen, um hilfreiche Informationen zur Entscheidungsfindung bereitzustellen. Diese Methoden stammen in der Regel aus dem Kanon der bekannten quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden bzw. ihrer Verbindung im Sinne der Mixed Methods und werden selten extra für die jeweilige Evaluationsstudie entwickelt. Wie bereits aus den aufgeführten Definitionen hervorgeht, hat Evaluation somit primär das Ziel, praktische Maßnahmen zu überprüfen, zu verbessern oder über sie zu entscheiden und somit zur Handlungsoptimierung in komplexen Situationen beizutragen.

 

 

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