Kapitel 7 - Untersuchungsbeispiel kritische Diskursanalyse: Sprechen über weiblichen Alkoholkonsum

Margrit Schreier

 

Im Rahmen eines umfassenderen längsschnittlichen Forschungsprojekts zum Alkoholismus führten Rolfe, Orford und Dalton (2015) Interviews mit 24 Frauen durch, die einen regelmäßigen hohen Alkoholkonsum angaben. Im Mittelpunkt der Interviews stand der Alkoholkonsum speziell von Frauen; die Interviews wurden anschließend mit einer kritischen Diskursanalyse nach Willig ausgewertet. Vor dem Hintergrund einer gesellschaftlich ambivalenten bis hin zu ablehnenden Haltung gegenüber weiblichem Alkoholkonsum lag der Schwerpunkt der Analyse auf Alkoholkonsum und Geschlecht.

Die Forscher*innen identifizierten zwei Diskurse, innerhalb derer die Frauen ihren Alkoholkonsum verorteten: Trinken als ‚Medizin‘ und Trinken zum Vergnügen. Im Rahmen des ersten Diskurses wird Alkoholkonsum als ein Mittel konstruiert, das die Frauen bei der Bewältigung ihres Alltags unterstützt. Alkoholkonsum wird hier indirekt gerechtfertigt, indem er den Frauen dabei hilft, ihrer weiblichen Rolle besser gerecht zu werden. Im zweiten Diskurs liegt die Betonung auf dem Genuss beim Trinken. Alkoholkonsum wird hier konstruiert als Belohnung nach einem anstrengenden Arbeitstag. Zugleich fanden die Forscher*innen, dass dieser Diskurs von Trinken zum Vergnügen häufig in Zusammenhang mit einem Diskurs der Gleichheit zwischen den Geschlechtern gebracht wird: Männer haben schon immer nach der Arbeit getrunken; nun tun Frauen es ihnen gleich. Zugleich betonen die Frauen in beiden Diskursen die Kontrolle über ihren Alkoholkonsum und bringen ihn nicht in Zusammenhang mit Sucht. Auf diese Weise vermeiden sie eine eventuelle gesellschaftliche Stigmatisierung von hohem Alkoholkonsum.

 

Literatur

Rolfe, A., Orford, J. & Dalton, S. (2015). Women, alcohol, and femininity: A discourse analysis of women heavy drinker accounts. Journal of Health Psychology, 14(2), 326-335.

 

 

Zurück zur Übersicht