Kapitel 9 - Wissenschaftstheoretische Fragen zu Mixed Methods

Margrit Schreier

 

Die lange Zeit vorherrschende Inkommensurabilitätsthese basiert auf der Annahme, dass mit der qualitativen und der quantitativen Forschung jeweils notwendig wissenschaftstheoretische Positionen verbunden sind, die nicht miteinander vereinbar sind (beispielsweise Postpositivismus mit der quantitativen und Konstruktivismus mit der qualitativen Forschung). In der Mixed Methods-Literatur ist allerdings umstritten, inwieweit tatsächlich eine solche notwendige Verbindung besteht. Besonders US-amerikanische Forscher*innen argumentieren, dass sich Methoden auch von den entsprechenden wissenschaftstheoretischen Annahmen lösen lassen. Sie gehen davon aus, dass jeweils die Methoden gewählt werden sollten, die zur Beantwortung der Forschungsfrage am besten geeignet sind. Diese Position entspricht der amerikanischen Philosophie des Pragmatismus, der zufolge – grob vereinfacht formuliert – die Methoden in erster Linie im Hinblick auf die Forschungsfrage nützlich sein sollten (ausführlich: Kuckartz, 2014, Kap. 1).

Dem halten gerade Forscher*innen aus dem deutschsprachigen Raum entgegen, dass die Dinge so einfach nicht liegen. So erscheinen Forschungsfragen nicht im luftleeren Raum, sondern werden von Forscher*innen konstituiert – und zwar auch im Hinblick auf bestimmte Methoden. Auch lasse sich die Tatsache, dass Methoden aus der qualitativen und der quantitativen Forschung heute vielfach kombiniert werden, nicht als Beleg dafür werten, dass eine solche Kombination problemlos möglich sei. Zumindest müssten die jeweiligen wissenschaftstheoretischen Annahmen der verschiedenen Forschungsansätze explizit thematisiert und reflektiert werden (z.B. Burzan, 2016, Kap. 2; Kuckartz, 2014, Kap. 1).

Diese Thematik wird in der gegenwärtigen Mixed Methods-Literatur auch weiterhin diskutiert. Auf der einen Seite wird vielfach der Pragmatismus als zugrunde liegende Wissenschaftsphilosophie angesetzt. Aber andere wissenschaftstheoretische Konzeptionen werden im Hinblick auf ihre Eignung für Mixed Methods ebenfalls diskutiert, insbesondere das sog. Transformative Paradigma und der Kritische Realismus. Weiterhin finden sich unterschiedliche Positionen dazu, inwieweit innerhalb der Mixed Methods von denselben Autor*innen auch je unterschiedliche wissenschaftstheoretische Positionen vertreten werden können. Diskutiert werden diese Fragen häufig unter dem Stichpunkt der Paradigmen-Debatte – wobei es hier allerdings zu weit führen würde, auf den Begriff des Paradigmas und die Frage seiner Eignung im Kontext von Mixed Methods einzugehen (Creswell & Plano Clark, 2018, Kap. 2).

 

Literatur

Burzan, N. (2016). Methodenplurale Forschung. Chancen und Probleme von Mixed Methods. Juventa.

Creswell, J. & Plano Clark, V. (2018). Designing and conducting mixed methods research (3rd ed.). Sage.

Kuckartz, U. (2014). Mixed Methods. Methodologie, Forschungsdesigns und Analyseverfahren. Springer VS.

 

 

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