Sportpsychologie
ISBN
978-3-662-50388-1

Inhalt

 

 

I  A Strukturen und Prozesse des psychischen Systems: I. Innere Prozesse

 

II  A Strukturen und Prozesse des psychischen Systems: II. Personale Dispositionen

 

III  A Strukturen und Prozesse des psychischen Systems: III. Situative Einflüsse

 

IV  A Strukturen und Prozesse des psychischen Systems: IV. Personale Veränderungen

 

V  B Sportpsychologie in der Anwendung

 

Kapitel 1: Einführung

Die Anfänge der Sportpsychologie

  • Die Sportpsychologie ist eine junge Wissenschaft. Ihre Anfänge lassen sich auf das Ende des 19. Jahrhunderts datieren.
  • Das Interesse an individuellen Fähigkeiten und Leistungen im Allgemeinen wie an sportlichen Höchstleistungen im Besonderen war die Basis für die Entwicklung der Sportpsychologie.
  • Erste sportpsychologische Experimente im engeren Sinne wurden von Triplett (1898) und Scripture (1894a, 1894b) durchgeführt.
  • De Coubertin, Initiator der Olympischen Spiele in der Moderne, war im Jahr 1900 einer der Ersten, der den Begriff „Sportpsychologie“ verwendete und die Etablierung der Sportpsychologie vorantrieb.
  • Schulte kann mit der Gründung des ersten „sportpsychologischen Laboratoriums“ an der Deutschen Hochschule für Leibesübungen (DHfL) in Berlin 1920 als der erste Sportpsychologe bezeichnet werden.
  • Heute existieren mehrere sportpsychologische Gesellschaften, in Deutschland beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp).

Der Gegenstandsbereich der Sportpsychologie

  • Die Sportpsychologie versteht sich als angewandte Wissenschaft, die das Erleben und Verhalten von Menschen in sportbezogenen Situationen untersucht.
  • Mit Sport ist eine große Bandbreite verschiedener Tätigkeiten gemeint, die nicht eindeutig ab- und einzugrenzen ist.
  • Sportliche Aktivität kann man als strukturierte körperliche Aktivität bezeichnen, die häufig mit einer höheren Intensität durchgeführt wird und die typischen, historisch-kulturell definierten Bewegungsinszenierungen des Sports übernimmt. Körperliche Aktivität wiederum ist eine durch die Skelettmuskulatur ausgelöste Bewegung, die den Energieverbrauch über den Ruheumsatz anhebt.
  • Angewandte Forschung strebt nach der Lösung praktischer Probleme und ist von der Grundlagenforschung und der praktischen Tätigkeit zu unterscheiden.

Ein grundlegendes Prozess- und Strukturschema des psychischen Systems

  • Beim Menschen umfasst das Verhalten Aktivitäten wie Bewegungen, Handlungen, Sprechen, Mimik oder Gestik.
  • Verhalten wird nach dem Grad der Intentionalität in Reflexe, Gewohnheiten und Handlungen unterschieden.
  • Erleben ist ein Sammelbegriff für ein von außen nicht beobachtbares, inneres psychisches Geschehen.
  • Das Grundschema des psychischen Systems unterscheidet zum einen personale und situative Einflüsse, zum anderen personale Dispositionen und innere Prozesse.

zurück zum Inhalt

 

I  A Strukturen und Prozesse des psychischen Systems: I. Innere Prozesse

 

Kapitel 2: Kognition

Grundlagen der Kognitionspsychologie

  • Die Kognitionspsychologie beschäftigt sich mit Prozessen und Strukturen, die sich auf die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen beziehen (z. B. Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Denken und Entscheiden).
  • Die Interaktion des Menschen mit seiner Umwelt kann als Ausdruck eines kontinuierlichen Informationsaustauschs angesehen werden.
  • In der Sportpsychologie werden kognitionspsychologische Fragestellungen insbesondere in den Anwendungsfeldern des Leistungs- und des Gesundheitssports bearbeitet.

Wahrnehmung

  • Wahrnehmung bezeichnet einerseits bewusste sensorische Erfahrung, anderseits aber auch den Prozess der Organisation und Interpretation der von den Sinnesorganen bereitgestellten Informationen.
  • Der komplexe Wahrnehmungsprozess lässt sich vereinfacht in drei Stufen unterteilen: Empfindung, perzeptuelle Organisation, Identifikation/Wiedererkennen.
  • Der Wahrnehmungsprozess wird dabei einerseits durch die hereinkommenden Informationen gesteuert (bottom-up), andererseits aber auch von psychischen Prozessen auf Seiten des Wahrnehmenden beeinflusst (top-down).
  • Es werden verschiedene Wahrnehmungsebenen unterschieden, von denen im Sport die visuelle Wahrnehmung am intensivsten untersucht worden ist.
  • Die Forschung zur visuellen Wahrnehmung beschäftigt sich u. a. mit Fragen der Objektwahrnehmung, der Farbwahrnehmung, der Tiefen- und Größenwahrnehmung sowie der Wahrnehmung von Bewegung.

Antizipation

  • Antizipation im Sport bedeutet nach Hagemann und Loffing die gedankliche Vorwegnahme eines Ereignisses mit dem Ziel, die eigene motorische Handlung zeitlich adäquat daran auszurichten.
  • Antizipationsleistungen von Experten (im Vergleich zu Novizen) werden bisher vor allem im Labor untersucht, insbesondere in Rückschlag- und Sportspielen.
  • Methodisch unterscheidet man dabei die zeitliche Verschlusstechnik, die räumliche Verdeckungstechnik, eine Kombination dieser beiden Verfahren, die Blickbewegungsmessung und virtuelle Realitäten.

Aufmerksamkeit

  • Aufmerksamkeit stellt eine begrenzte Ressource dar, sodass die selektive Auswahl relevanter Informationen im Zentrum der Forschung zu Aufmerksamkeitsprozessen steht.
  • Nach Memmert lassen sich vier untergeordnete Prozesse der Aufmerksamkeit unterscheiden: Aufmerksamkeitsorientierung, selektive Aufmerksamkeit, geteilte Aufmerksamkeit und Konzentration.
  • Einen Schwerpunkt der sportpsychologischen Aufmerksamkeitsforschung bilden die selektive Aufmerksamkeit sowie die geteilte Aufmerksamkeit.
  • In der Vergangenheit wurde das Phänomen der selektiven Aufmerksamkeit vor allem durch drei Theorieansätze zu erklären versucht: die Filtertheorie, die Attenuationstheorie sowie die Theorie der späten Informationsverarbeitung.
  • Information-rich areas sind Bereiche, die viele hilfreiche Informationen enthalten, um Bewegungseffekte antizipieren zu können. Geteilte Aufmerksamkeit ermöglicht die Realisierung von Mehrfachaufgaben.
  • Zur Untersuchung der geteilten Aufmerksamkeit werden Versuchspersonen im Allgemeinen entweder mit Doppelaufgaben konfrontiert, oder sie sollen mehrere sich bewegende Objekte gleichzeitig verfolgen.
  • Teilweise oder partiell automatisch ablaufende Prozesse reduzieren die zur Erledigung anderer Aufgaben verfügbare Aufmerksamkeitskapazität nicht oder nur wenig.
  • Das Phänomen der Blindheit wegen Unaufmerksamkeit wird auch im Bereich des Sports untersucht.
  • In Bezug auf das Bewegungslernen und die motorische Kontrolle hat sich gezeigt, dass ein externaler Aufmerksamkeitsfokus vorteilhafter ist als ein internaler.

Empirische Befunde: Kognitive Leistungen in Abhängigkeit von sportlicher Expertise

  • Weitgehend konsistent finden sich für Wahrnehmungs-, Antizipations- und Aufmerksamkeitsprozesse im Sport Unterschiede zwischen Experten und Novizen in dem Sinne, dass Experten bessere Leistungen zeigen (z. B. Reaktionszeit, Genauigkeit der Reaktion, Antizipation).
  • Diese Unterschiede lassen allerdings nicht den Schluss zu, dass Experten generell, also auch in sportunspezifischen Aufgaben, kognitiv überlegen sind.
  • Die besseren Leistungen von Experten treten vielmehr bei sportspezifischen Aufgaben auf.
  • Aus methodischer Sicht ist u. a. noch unklar, was genau einen Experten auszeichnet und inwiefern die im Labor gefundenen Effekte tatsächlich die sportliche Leistung mitbestimmen.

Empirische Befunde: Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf kognitive Prozesse

  • Bei Personen jeden Alters (Kinder und Jugendliche, mittleres Erwachsenenalter, Ältere) zeigt sich weitgehend konsistent ein positiver Einfluss von körperlicher Aktivität auf die kognitive Leistungsfähigkeit.
  • Dies gilt auch dann, wenn bereits kognitive Einschränkungen vorliegen.
  • Bisher ist weitgehend unklar, welche kognitiven Fähigkeiten genau sich durch körperliche Aktivität verbessern, was u. a. durch unterschiedliche Kategorisierungen der kognitiven Fähigkeiten in unterschiedlichen Studien erklärt werden kann.
  • Die Frage, wie genau durch körperliche Aktivität die kognitive Leistungsfähigkeit verbessert wird, ist bisher nur unzureichend geklärt.
  • Die Annahme, dass strukturelle Veränderungen im Gehirn eine Verbesserung kognitiver Leistungen bewirken, ist derzeit Gegenstand einer Reihe von Untersuchungen an der Schnittstelle von Psychologie und Neurowissenschaft.

zurück zum Inhalt

 

Kapitel 3: Emotion

Der Emotionsbegriff

  • Emotionen sind aktuelle psychische Zustände, die eine bestimmte Qualität, Intensität und Dauer haben, meist objektgerichtet sind und normalerweise ein charakteristisches Erleben, bestimmte physiologische Veränderungen und Verhaltensweisen umfassen.
  • Angst ist z. B. eine Emotion, die durch eine verstärkte Besorgnis (kognitive Komponente) gekennzeichnet ist und mit einer körperlichen Aktivierung (somatische Komponente) einhergeht. Sie tritt in Situationen auf, die als bedrohlich eingeschätzt werden.

Klassifikation von Emotionen

  • Emotionen lassen sich auf unterschiedliche Art und Weise klassifizieren, werden jedoch am häufigsten nach ihrer Qualität gruppiert und z. B. als Freude, Ärger oder Angst bezeichnet.

Emotionstheorien

  • Emotionstheorien beinhalten zentrale Annahmen über die Natur, die Entstehung oder die Funktion von Emotionen.
  • Kognitive Emotionstheorien fragen nach dem Entstehen von Emotionen in konkreten Situationen.
  • Die physiologisch-kognitiven Theorien von James und Schachter sowie die kognitive Emotionstheorie von Lazarus gehen z. B. davon aus, dass die Qualität und Intensität der Emotion gegenüber einem Objekt von den Bewertungen dieses Objekts durch die erlebende Person abhängig sind.

Ansätze zum Zusammenhang von Emotionen und sportlicher Leistung

  • Es gibt eine Vielzahl von theoretischen Ansätzen, die versuchen, den Einfluss von Emotionen auf die sportliche Leistung zu erklären. Bekannte Ansätze sind das Mental-Health- Modell und das Modell der Individual Zones of Optimal Functioning (IZOF), das in sportartübergreifenden Studien empirisch gestützt wird.
  • Die umgekehrte U-Hypothese sowie das Katastrophenmodell erklären speziell die Wirkung von Angst auf die sportliche Leistung.

Effekte von Emotionen auf die sportliche Leistung

  • Der Effekt von Emotionen auf die sportliche Leitung scheint, wie es das IZOF-Modell postuliert, individuell unterschiedlich zu sein.
  • Insgesamt wird der Angst allerdings eher eine negative Wirkung zugeschrieben. Die empirischen Befunde bestätigen, insbesondere für die kognitive Angstkomponente, dass eine höhere Angst mit einer niedrigeren Leistung einhergeht.
  • Eine wichtige Aufgabe der sportpsychologischen Forschung ist es, für den Sport im Allgemeinen und die Sportler im Speziellen, relevante Emotionen zu identifizieren und zu prüfen, wie diese Emotionen reguliert werden können, um künftig Leistungseinbußen zu verhindern bzw. Leistungsverbesserungen fördern zu können.

zurück zum Inhalt

 

Kapitel 4: Motivation

Begriffsbestimmung

  • Die Motivationspsychologie beschäftigt sich mit Fragen nach dem Warum und Wozu menschlichen Verhaltens.
  • Unter Motivation wird die aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustand verstanden. Menschliches Verhalten in einer bestimmten Situation unterscheidet sich aus motivationspsychologischer Sicht sowohl interindividuell als auch intraindividuell.

Kognitiv-handlungstheoretischer Ansatz

  • Diesem Ansatz zufolge wird der Mensch als ein planendes, auf die Zukunft gerichtetes und sich entscheidendes Wesen verstanden, das zielgerichtet handelt, sich seiner Handlungen bewusst ist, diese Handlungen als sinnvoll bewertet, seine Entscheidungen zwischen verschiedenen Handlungsalternativen auswählt, zur Reflexion seiner Handlungen fähig ist und die Handlungsergebnisse selbst verantwortet.
  • Motive sind situationsüberdauernde, zeitlich überdauernde und persönlichkeitsspezifische Wertungsdispositionen. Sie stellen hypothetische Konstrukte dar, da sie sich nicht direkt beobachten lassen und nur indirekt, aus der situationsspezifischen Handlung heraus, erschlossen werden können.
  • Der Prozess der Motivanregung wird als Motivierung bezeichnet, das Ergebnis dieser Motivierung Motivation.
  • Handlungen entstehen aus der Interaktion zwischen der personellen Dispositionen und der Situation.
  • Motivdispositionen können implizit oder explizit vorliegen.

Motive im Sport

  • Ein Ziel der sportwissenschaftlichen Motivationsforschung ist es, Motive für das Sporttreiben bzw. das Nichtsporttreiben zu ermitteln.
  • Die gefundenen Motive werden zu Motivgruppen zusammengefasst. Die inhaltliche Abgrenzung erfolgt dabei zumeist nach Inhaltsklassen der Handlungsziele.
  • Zu den in der Psychologie am häufigsten betrachteten Inhaltsklassen zählen das Leistungsmotiv, das Anschlussmotiv sowie das Machtmotiv. Es wird zwischen extrinsischen (an der Zweckerreichung orientierten) und intrinsischen (am Handlungsziel orientierten) Motiven differenziert.
  • Implizite und explizite Motive stellen weitere inhaltliche Unterscheidungen dar, die den Grad des Bewusstseins eines Motivs bei einer Person beschreiben.
  • Es können generell verschiedene Motive wirksam werden, die entweder in die gleiche Richtung oder entgegengesetzt wirken.

Leistungsmotivation

  • Leistungsmotivation stellt die Gesamtheit aller aktuellen emotionalen und kognitiven Prozesse dar, die in der individuellen Auseinandersetzung mit einer – im Sport zumeist vorkommenden und daher besonders relevanten – Leistungssituation angeregt werden.
  • Das Risikowahl-Modell gilt als die klassische Theorie der Leistungsmotivationsforschung:
    1. Es nimmt eine Interaktion zwischen einem Personenfaktor und den zwei Situationsfaktoren Erwartung und Wert an.
    2. In der Entwicklung einer Person bildet sich die Neigung zu einer Motivdisposition zwischen den beiden Polen Hoffnung auf Erfolg und Furcht vor Misserfolg aus.
  • Im Selbstbewertungsmodell werden die beiden Motivtendenzen Erfolgszuversicht und Misserfolgsängstlichkeit gegenübergestellt.
    1. Erfolgsmotivierte Athleten wählen in Leistungssituationen – bezugnehmend auf Erfahrungen aus der Vergangenheit – anspruchsvolle Aufgaben.
    2. Misserfolgsmotivierte schreiben Misserfolgen primär mangelnde eigene Fähigkeiten zu. Erfolge werden dagegen ohne eindeutig bevorzugte Ursachenzuschreibung verarbeitet und tendenziell eher auf Faktoren wie Glück oder Leichtigkeit der Aufgabe zurückgeführt.
  • Die Theorie der Zielorientierung geht der grundlegenden Frage nach, welche Bezugsnorm Individuen heranziehen, um Erfolge und Niederlagen in Leistungssituationen zu klassifizieren und zu bewerten.
    1. Im Mittelpunkt stehen zwei grundlegende Zielorientierungen: Aufgaben- und Wettbewerbsorientierung.
    2. Aufgabenorientierte verfolgen Ziele, die sich auf die Lösung der Aufgabe selbst beziehen, und schöpfen Zufriedenheit aus persönlichen Leistungsverbesserungen oder gemeisterten Aufgaben auf der Basis einer individuellen sowie sachlichen Bezugsnorm.
    3. Wettbewerbsorientierte wollen gewinnen und haben daher das Ziel, besser zu sein als andere. Sie orientieren sich somit an sozialen Bezugsnormen.

zurück zum Inhalt

 

Kapitel 5: Volition

Realisierung von Handlungsvorsätzen

  • Motivation allein reicht nicht immer aus, um einen Handlungsplan zu realisieren.
  • Volition beschreibt Willensprozesse zur Umsetzung von Handlungsabsichten.
  • Forschungsgegenstand sind vor allem die Handlungsinitiierung, die Persistenz einer Handlung und das Überwinden von Handlungshindernissen.
  • Ein Messinstrument ist der Fragebogen „Volitionale Komponenten im Sport“ (VKS).

Das Rubikon-Modell – die Würfel sind gefallen

  • Die Umsetzung der Handlung wird in vier Phasen untergliedert: prädezisional, präaktional, aktional, postaktional.
  • Handlungsoptionen werden zunächst hinsichtlich des subjektiven Werts und der Realisierbarkeit für den Handelnden abgewogen. Mit der Entscheidung für eine Handlungsmöglichkeit ist der Point of no Return erreicht, die Zielintention steht fest.
  • Die Planung der Zielintention wird nun eingeleitet, am Ende steht ein konkreter Handlungsplan.
  • Dieser Plan wird umgesetzt, mit situativen Umständen verglichen, und es erfolgt eine Beurteilung der Ziel- und Handlungsumsetzung.
  • Die Bewertung des Handlungsergebnisses führt zu einer Neubewertung von Erwartungen.

Die Theorie der Handlungskontrolle

  • Die Theorie basiert auf dem Ansatz, bei der Handlungskontrolle zwischen motivationalen Prozessen (Selektionsmotivation) und volitionalen Prozessen (Realisierungsmotivation) zu unterscheiden.
  • Hauptfunktion der volitionalen Prozesse der Handlungskontrolle ist die Abschirmung bzw. Überwindung des Handelnden vor internen und externen Einflüssen, die sich als störend, konkurrierend oder irrelevant für die Realisierung der Intention darstellen und alternative Handlungstendenzen hervorrufen können.
  • Personen unterscheiden sich in ihrer Fähigkeit, diese Einflüsse zu überwinden. Man unterscheidet bei der Handlungskontrolle zwischen Handlungs- und Lageorientierung.
  • Die Neigung zu einer dieser Orientierungen wird durch soziale Faktoren beeinflusst und ist weniger genetisch determiniert.
  • Je nach Sportart und Spielposition kann sich die Orientierungsform günstig oder nachteilig auf den Sportler auswirken
  • In der Theorie der Handlungskontrolle agiert die Volition als Bindeglied zwischen Motivation und der Handlungsrealisierung.
  • Nach dem Motivations-Volitions-Modell ist jedoch auch zu beachten, dass Motivation und Volition nicht als getrennte Prozesse zu betrachten sind, sondern gemeinsam agieren. Zudem kommt auch bei der Handlungsrealisierung der Abstimmung dieser beiden Prozesse eine entscheidende Rolle zu.
  • Für die Optimierung dieses Zusammenspiels ist die Handlungssteuerung ein wichtiger Faktor. Diese basiert wiederum auf den beiden Komponenten Selbstkontrolle und Selbstregulation.

zurück zum Inhalt

 

II  A Strukturen und Prozesse des psychischen Systems: II. Personale Dispositionen

 

Kapitel 6: Persönlichkeit

Begriffsbestimmung

  • Persönlichkeit bezeichnet die in Wechselwirkung stehenden Verhaltensweisen, die bei jedem Individuum einzigartig, relativ stabil und den Zeitverlauf überdauernd sind.

Theoretische Ansätze

  • Sowohl die antike Temperamentenlehre (Beziehung zwischen Körpersäften und Temperament) als auch die Typenlehre aus den 1940er Jahren (Beziehung zwischen Körperbau und Charaktereigenschaften) haben nur noch historische Bedeutung.
  • Innerhalb der Sportpsychologie orientieren sich Theorien und Methoden heute an Erkenntnissen der Persönlichkeitspsychologie und der Differenziellen Psychologie.
  • Persönlichkeitstheorien lassen sich verschiedenen Theoriefamilien zuordnen, von denen der Eigenschafts- bzw. Trait-Ansatz die größte Bedeutung für die Sportpsychologie hat.
  • Bei Eigenschaften handelt es sich um stabile Merkmale, die eine Person dazu disponieren, sich über unterschiedliche Situationen hinweg konstant zu verhalten.
  • Das Drei-Faktoren-Modell von Eysenck unterscheidet die drei grundlegenden, hierarchisch aufgebauten Dimensionen Extraversion, Neurotizismus und Psychotizismus, die sich aus miteinander zusammenhängenden Eigenschaften zusammensetzen.
  • Das neuere Fünf-Faktoren-Modell von Costa und McCrae beinhaltet die fünf Dimensionen Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit, über deren Existenz in der Persönlichkeitsforschung mittlerweile weitgehender Konsens herrscht.

Annahmen über den Zusammenhang von Sport und Persönlichkeit

  • Die Sozialisationshypothese nimmt an, dass sportliche Aktivität sich positiv auf die Persönlichkeit auswirkt.
  • Die Selektionshypothese geht davon aus, dass die Persönlichkeit die sportliche Aktivität bzw. den sportlichen Erfolg bestimmt.
  • Neuere Hypothesen gehen von einer Wechselwirkung zwischen sportlicher Aktivität und Persönlichkeit aus oder beziehen Drittvariablen ein.

Empirische Befunde

  • Der Mehrzahl der Untersuchungen zur Sozialisations- und Selektionshypothese, die vor allem in den 1960er und 1970er Jahren entstanden, liegt der Eigenschaftsansatz zugrunde.
  • Weder für die Sozialisations- noch für die Selektionshypothese konnten bislang überzeugende empirische Befunde vorgelegt werden, was durch eine Reihe theoretischer und methodischer Mängel begründet wird.
  • Aktuell stehen spezifischere und eher kognitiv orientierte Aspekte im Vordergrund der Forschung, wobei die aufgeführten Studien eher implizit der Persönlichkeitsforschung zugeordnet werden können.
  • Durch sportliche Aktivität scheinen eher kognitive Variablen und das Wohlbefinden beeinflusst zu werden als globale Persönlichkeitseigenschaften.
  • Für die Zukunft der sportpsychologischen Persönlichkeitsforschung steht vor allem die Forderung nach einem dynamisch-interaktionistischen Zugang im Vordergrund, der den wechselseitigen Einfluss von sportlicher Aktivität und Persönlichkeit berücksichtigt.

zurück zum Inhalt

 

Kapitel 7: Selbst

Das Selbst als Wissenssystem

  • Das Selbst kann als Gedächtnisrepräsentation der eigenen Person verstanden werden.
  • Als dynamisches System umfasst es auf die eigene Person bezogene Überzeugungs- und Erinnerungsinhalte sowie die mit diesen Inhalten und Strukturen operierenden Prozesse und Mechanismen.
  • Man unterscheidet verschiedene Realitätsgrade des Selbst.
  • Dem Selbst wird weiterhin eine gewisse Funktionalität unterstellt: Einerseits zielt es auf ein reales Abbild, um in wechselnden Kontexten handlungsfähig zu sein („Realitätsprinzip“), andererseits strebt es nach einem positiven und/oder konsistenten Selbstbild („Lustprinzip“).

Theoretische Ansätze

  • Für die Struktur des Selbst ist in der Sportpsychologie das multidimensional-hierarchische Modell von Shavelson et al. (1976) prominent.
  • In diesem Modell werden aufeinander aufbauende Ebenen unterschieden, die voranschreitend eine Generalisierung des Selbst widerspiegeln.
  • Der auf der dritten Ebene angesiedelte physische Selbstaspekt beinhaltet alle selbstrelevanten Informationen, die einen Bezug zum eigenen Körper aufweisen.
  • Auch für den physischen Selbstaspekt wird ein mehrdimensionaler, hierarchischer Aufbau angenommen.
  • Die Wirkung sportlicher Aktivität auf das Selbst wird durch vier Schritte erklärt: funktional-somatische Verbesserung, Selbstwahrnehmung, Selbstbewertung und Generalisierung.
  • Bei der Frage der Wirkung des Selbst auf die sportliche Aktivität werden vor allem Konstrukte herangezogen, die auf Teilaspekte selbstbezogenen Wissens Bezug nehmen: Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeitserwartung.
  • Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeitserwartung beziehen sich auf den Glauben, bestimmte Fähigkeiten in einer Situation wie gewollt einsetzen zu können.
  • Die Selbstwirksamkeitserwartung beeinflusst die Auswahl von Verhaltensweisen bzw. ihren Schwierigkeitsgrad, die investierte Anstrengung bis zur Zielerreichung sowie die Ausdauer angesichts von Schwierigkeiten und Hindernissen (Persistenz).

Empirische Befunde

  • Sportliches Training führt zu einer Positivierung des globalen Selbst (kleine bis mittlere Effekte).
  • Kinder und Jugendliche profitieren dabei stärker als Erwachsene und Ältere.
  • Bei Erwachsenen scheint hier die tatsächliche Verbesserung der körperlichen Fitness vorteilhaft zu sein.
  • Für die Art und Häufigkeit des Trainings ergeben sich dagegen keine nachweisbaren Effekte.
  • Auch für den physischen Selbstaspekt zeigen sich kleine bis annähernd mittlere Effekte sportlicher Aktivität.
  • Für den Effekt sportlicher Aktivität auf den physischen Selbstaspekt scheint die Art der sportlichen Aktivität (aerob vs. anaerob) eine Rolle zu spielen.

zurück zum Inhalt

 

III  A Strukturen und Prozesse des psychischen Systems: III. Situative Einflüsse

 

Kapitel 8: Gruppe

Der Gruppenbegriff

  • Eine Gruppe besteht aus mindestens zwei Personen, die wechselseitig interagieren, sich selbst der Gruppe zugehörig fühlen und sich der anderen Gruppenmitglieder bewusst sind.
  • Typische Gruppen sind demnach gesundheitsund fitnessorientierte Sportgruppen oder leistungsorientierte Sportmannschaften.

Entstehung von Gruppen

  • Gruppen sind dynamisch. Ihre Entstehung und Entwicklung wird in linearen Modellen, in Life-Cycle-Modellen oder Pendelmodellen beschrieben.

Effekte auf die Gruppenproduktivität

  • Das heuristische Konzept zur Erforschung von Sportgruppen von Carron und Kollegen verdeutlicht, dass Gruppen äußerst komplex sind und ihre Produktivität von einer Vielzahl von Einflussfaktoren abhängt.
  • Insgesamt bestätigen die empirischen Befunde, dass die Gruppengröße und -zusammensetzung, in Abhängigkeit vom Aufgabentyp, Einfluss auf die Mannschaftsleistung haben.
  • Es zeigt sich zudem ein positiver Zusammenhang zwischen Kohäsion und Leistung.

Konsequenzen für die Praxis

  • Eine Möglichkeit, die Effektivität einer Gruppe zu steigern, bieten Teambuilding-Maßnahmen.

zurück zum Inhalt

 

Kapitel 9: Führung

Der Führungsbegriff

  • Führung ist eine unmittelbare, absichtliche und zielbezogene Einflussnahme von bestimmten Personen auf andere Personen wie z. B. von Trainern auf ihre Athleten.

Führungstheorien

  • Verschiedene eigenschafts-, verhaltensund situationsorientierte Führungstheorien versuchen Faktoren zu bestimmen, die eine Führungsperson erfolgreich machen.
  • Es gibt zwei sportspezifische Führungsmodelle – das Mediationsmodell der Führung und das multidimensionale Modell des Trainerverhaltens –, die die Wirkung von Trainerverhalten beschreiben und so versuchen, Führungserfolg zu erklären.

Empirische Befunde

  • Resümierend ist festzustellen, dass die Führungsforschung keine generellen Aussagen über erfolgreiches Trainerverhalten liefern konnte. Die empirischen Befunde verdeutlichen, dass es kein allgemeingültiges effektives Trainerverhalten gibt, sondern Erfolg eine Passung des Trainerverhaltens mit den situativen Bedingungen und individuellen Athletenmerkmalen voraussetzt.
  • Die Untersuchungsergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass bestimmte Verhaltensweisen eine positive Wirkung auf die Leistung, Zufriedenheit, Motivation, Einstellung und Kohäsion haben können.

Konsequenzen für die Praxis

  • Die soziale Dimension des Trainerverhaltens sollte thematisch in der Trainerausbildung behandelt werden.
  • Spezielle Trainingsprogramme können zu einem effektiveren Trainerverhalten führen.

zurück zum Inhalt

 

Kapitel 10: Zuschauer

Der Zuschauerbegriff

  • Sportzuschauer sind Personen, die sich Wettkämpfe, Spiele oder Turniere ansehen.

Erklärungsansätze zum Zuschauereinfluss

  • Generell wird angenommen, dass Zuschauer einen positiven Effekt auf die Leistung der Sportler haben, allerdings wird teilweise auch eine negative Wirkung beobachtet.
  • Aktivationstheoretische Ansätze wie die Generalized-Drive-Hypothese und die Learned-Drive-Hypothese sowie aufmerksamkeitstheoretische Ansätze wie die Ablenkungs- Konflikt-Hypothese und die Overload- Hypothese versuchen, diese inkonsistenten Beobachtungen zu erklären.

Empirische Befunde

  • Insgesamt bestätigen die empirischen Befunde, dass Zuschauereinflüsse bestehen, diese aber allgemein sehr gering sind.
  • Das Ausmaß sowie die Richtung der Zuschauereffekte scheinen von verschiedenen Größen abzuhängen, z. B. der Aufgabenkomplexität, der Art der motorischen Aufgabe und der Leistungsstärke.
  • Die allgemeine These, dass Zuschauer aufgrund ihrer sozialen Unterstützung Leistungsvorteile bringen, konnte empirisch nicht bestätigt werden.
  • Zuschauer können vielmehr im Sinne des Choking under Pressure auch Druck ausüben, der zu Leistungseinbußen führen kann.

zurück zum Inhalt

 

Kapitel 11: Soziale Kognitionen

Soziale Kognitionen und soziale Informationsverarbeitung

  • Soziale Kognitionen bezeichnen die Art und Weise, wie Menschen ihre (soziale) Umwelt aus sozialen Informationen „konstruieren“, die durch eine hohe Komplexität und Vagheit gekennzeichnet sind.
  • Zur sozialen Informationsverarbeitung zählen Wahrnehmungs- und Kategorisierungsprozesse, Urteils- und Entscheidungsprozesse sowie Reflexions- und Attributionsprozesse, die sich wechselseitig beeinflussen.
  • Da beinahe jede Sportsituation auch eine soziale Situation ist, bietet der Sport sowohl Forschungs- als auch Anwendungsfelder für Fragestellungen der sozialen Kognitionsforschung.
  • Für viele Prozesse (z. B. Wahrnehmung) liegen aus dem Bereich des Sports allerdings bislang nur Einzelbefunde vor.
  • Am besten untersucht ist der Bereich der Attributionen, für den eine Reihe sportspezifischer Befunde vorliegt.

Urteilen und Entscheiden: Urteilsheuristiken

  • Urteilsheuristiken stehen hier beispielhaft für ein Forschungsgebiet aus dem Bereich der Urteils- und Entscheidungsforschung.
  • Sie sind vereinfachende Problemlöseroutinen, die schnelle Urteile erlauben.
  • Auf der Grundlage von Heuristiken gefällte Urteile sind nützlich, gleichzeitig jedoch auch fehleranfällig.
  • In der Psychologie unterscheidet man klassischerweise die Verfügbarkeits-, die Repräsentations-, die Anker- und die Simulationsheuristik.
  • Einen Sonderfall der Simulationsheuristik stellen kontrafaktische Gedanken dar, die sich mit der mentalen Simulation nicht eingetretener Ereignisse beschäftigen.
  • Innerhalb der Sportpsychologie sind in jüngerer Zeit sportspezifische Urteilsheuristiken entwickelt worden, darunter die Take-the-First-, die Hot-Hand- sowie die Take-the-Best-Heuristik, die bisher vor allem im Bereich der Sport- und Rückschlagspiele untersucht wurden.

Attributionen

  • Attributionen bezeichnen Ursachenzuschreibungen, mit denen Personen eingetretene Ereignisse erklären.
  • Man unterscheidet Attributionstheorien (Welche Faktoren beeinflussen Attributionen von Individuen?) von attributionalen Theorien (Wie wirken sich Attributionen auf andere Faktoren aus?).
  • In Heiders naiver Handlungsanalyse, die als erste Attributionstheorie gilt, wird die Unterscheidung von internalen (Personkraft) und externalen (Umweltkraft) Ursachen eingeführt.
  • Nach Kelleys Kovariationsmodell können Ereignisse aufgrund von Informationen über Konsistenz, Konsens und Distinktheit als Folge eines rationalen Bewertungsprozesses auf die Person, die Umstände oder die Entität attribuiert werden.
  • Weiners Attributionsmodell für Leistungssituationen unterscheidet die drei Attributionsdimensionen Lokation, Stabilität und Kontrollierbarkeit; es wurde von Möller sportspezifisch ausgeweitet.
  • Nach Weiner wirken sich Attributionen auf den drei Dimensionen unterschiedlich auf Emotionen und Erfolgserwartungen (und darüber auch auf die Motivation) aus.
  • Im Bereich des Sports lassen sich diese Vorhersagen allerdings nur teilweise empirisch belegen.
  • Im Sport häufig vorkommende Fehler und Verzerrungen im Attributionsprozess sind selbstwertdienliche Verzerrungen, der fundamentale Attributionsfehler sowie der Actor-Observer-Bias.

zurück zum Inhalt

 

IV  A Strukturen und Prozesse des psychischen Systems: IV. Personale Veränderungen

 

Kapitel 12: Entwicklung

Der Entwicklungsbegriff

  • Entwicklungspsychologie befasst sich mit relativ überdauernden, intraindividuellen und interindividuellen Veränderungen und Stabilitäten im Lebenslauf.
  • Klassifikation von Veränderungen
  • Entwicklung lässt sich nach Altersabschnitten (die allerdings nur als grober Orientierungsrahmen verstanden werden sollten) oder aber nach inhaltlichen Funktionsbereichen gliedern.
  • In Bezug auf die inhaltlichen Funktionsbereiche wird z. B. häufig die Entwicklung der Motorik, der Kognition, der Persönlichkeit oder der Motivation untersucht.
  • Daneben lässt sich die Entwicklung selbst nach verschiedenen Gesichtspunkten klassifizieren, z. B. danach, ob sie kontinuierlich oder diskontinuierlich verläuft.

Einflussfaktoren auf die menschliche Entwicklung

  • Die menschliche Entwicklung wird von einer ganzen Reihe von Faktoren beeinflusst, zu denen etwa allgemeine und individuelle genetische Faktoren, Reifungsprozesse oder geschichtlich-kulturelle Faktoren zählen.

Theoretische Ansätze

  • Theorien in der Entwicklungspsychologie lassen sich vier prototypischen Theoriefamilien zuordnen, die sich darin unterscheiden, dass sie der Entwicklung unterschiedliche Verhältnisse von Anlage und Umwelt zugrunde legen.
  • Man unterscheidet idealtypisch endogenistische (Entwicklung als Ergebnis von Reifungsprozessen), exogenistische (Entwicklung als Ergebnis von Umweltreizen), Selbstgestaltungstheorien (Entwicklung als Ergebnis des Verhaltens eines handelnden Menschen) und interaktionistische Theorien (Entwicklung als Ergebnis der Wechselwirkung aus Personenund Umweltfaktoren).
  • Heute dominieren interaktionistische Theorieansätze.

Die kognitive Entwicklung im Kindesalter nach Piaget

  • Piagets Stadientheorie über die kognitive Entwicklung nimmt an, dass Kinder durch Assimilation und Akkommodation nicht zufriedenstellende Ereignisse bewältigen und sich dadurch entwickeln.
  • Piaget unterscheidet das sensumotorische, das präoperatorische, das konkret-operatorische sowie das formal-operatorische Stadium.

Entwicklungspsychologie der Lebensspanne

  • Die Entwicklungspsychologie der Lebensspanne beeinflusste die moderne Entwicklungspsychologie wesentlich.
  • Sie geht von sieben Prämissen aus: lebenslange Entwicklung, Entwicklung als Gewinn und Verlust, Plastizität, Multidimensionalität und Multidirektionalität, geschichtliche Einbettung, Kontextualismus sowie Multidisziplinarität.
  • Die Übertragung des Forschungsansatzes der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne in die Sportpsychologie steht bislang erst am Anfang.

Ausgewählte Aspekte: Entwicklung der Leistungsmotivation

  • Die Entwicklung der Leistungsmotivation wird als bedeutend für sportpsychologische Fragestellungen angesehen.
  • Die Ausbildung der Leistungsmotivation in ihrer Grundform ist etwa im 13. Lebensjahr abgeschlossen.
  • Einfluss auf die Entwicklung der Leistungsmotivation haben u. a. kulturelle Normen, Erziehungsaspekte, Lehrerverhalten (Bezugsnormorientierung) sowie das Verhalten Gleichaltriger.

Ausgewählte Aspekte: Entwicklung sportlicher Höchstleistung

  • Sportliche Höchstleistung entwickelt sich in den drei Phasen romance, precision und integration.
  • Bestimmte genetische Voraussetzungen können sportliche Höchstleistungen begünstigen.
  • Der Forschungsansatz des deliberate practice sieht herausragende (auch sportliche) Leistungen vor allem als Resultat eines langjährigen, zielgerichteten intensiven Übungsprozesses.
  • Es scheint plausibel, dass die Entwicklung sportlicher Expertise das Resultat eines komplexen Zusammenspiels von Anlage- und Umweltfaktoren ist.

zurück zum Inhalt

 

Kapitel 13: Lernen

Grundlagen der Lernpsychologie

  • Lernen bezeichnet die relativ überdauernde Veränderung des Verhaltenspotenzials aufgrund von Erfahrungen.
  • Damit sind sportliche Handlungen (und menschliches Handeln allgemein) ohne Lernprozesse nicht denkbar.
  • Oft sind Reifungsprozesse und die Speicherfähigkeit des Organismus (Gedächtnis) Voraussetzungen für das Lernen.
  • Lernen kann bewusst (intentional) oder unbewusst (inzidentell) erfolgen.

Lerntheorien

  • Lerntheorien, wie sie die Allgemeine Psychologie hervorgebracht hat, unterscheiden sich u. a. darin, dass sie für unterschiedliche Arten von Lerninhalten und zugrunde liegenden Lernbedingungen unterschiedlich bedeutsam sind.
  • Mithilfe der klassischen Konditionierung (Reiz- Reaktions-Lernen) werden z. B. emotionale Reaktionen auf bestimmte Situationen (etwa Angst vor dem Sportlehrer) erlernt.
  • Nach dem Prinzip der operanten Konditionierung wird Verhalten mit größerer Wahrscheinlichkeit gezeigt, wenn es angenehme Konsequenzen nach sich zieht (positive Verstärkung oder negative Bestrafung), und mit geringerer Wahrscheinlichkeit gezeigt, wenn es negative Konsequenzen (positive Bestrafung oder negative Verstärkung) zur Folge hat.
  • Die operante Konditionierung kann bei einer Vielzahl von Lerninhalten wirken; so lässt sich z. B. durch positive Verstärkung eine gewünschte sportliche Zieltechnik nach und nach ansteuern (Shaping).
  • Zentral für den Bereich des Techniktrainings im Sport ist das Modelllernen: Durch das Beobachten eines „Vorbilds“ (Aneignung) werden neue Verhaltensweisen erworben (Ausführung).
  • Das Lernen von Begriffen und Wissen basiert meist auf dem Lernen von nicht willkürlichen, sondern inhaltlich „verstandenen“ Verbindungen (kognitive Strukturen).
  • Das Lernen durch Einsicht kann als Beispiel für das Lernen von Handeln und Problemlösen angeführt werden, bei dem durch die Umstrukturierung des Wahrnehmungsfelds einer Person die Elemente einer Problemsituation in neuer Weise gesehen werden.
  • Im Alltag wirken die beschriebenen Lernprozesse meist zusammen, was ein Grund dafür sein mag, dass systematische Untersuchungen zu den Wirkungen, Bedingungen und Einflussfaktoren der klassischen Lerntheorien in der sportpsychologischen Literatur eher die Ausnahme sind.

Einflussfaktoren

  • Faktoren, die die Wirkung der genannten Lernprinzipien beeinflussen, können sich auf externale Bedingungen und auf internale, personenspezifische Aspekte beziehen.
  • Die Lernsituation als externaler Faktor kann Transfereffekte begünstigen oder erschweren.
  • Will man positive Transfereffekte im Sport fördern, kann dies durch die Herstellung der Ähnlichkeit zwischen Lern- und Transferaufgabe sowie die Auseinandersetzung mit der ursprünglichen Lernaufgabe (z. B. Intensität des Übens) geschehen.
  • Die Lernmotivation als internaler Einflussfaktor hat erheblichen Einfluss auf Lernleistungen.
  • Die Lernmotivation kann positiv beeinflusst werden, u. a. durch die wahrgenommene Unterrichtsqualität.

zurück zum Inhalt

 

V  B Sportpsychologie in der Anwendung

 

Kapitel 14: Anwendungsfelder

  • Die förderlichen Wirkungen des Sports für die Persönlichkeitsentwicklung sowie die Optimierung der geistigen Leistungsfähigkeit bildeten die Grundlage für die beiden klassischen Anwendungsfelder der Sportpsychologie (Schul- und Leistungssport) zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
  • Die Sportpsychologie hielt erst nach und nach auch Einzug in den Breiten-, Betriebs- Freizeit-, Gesundheits- und Rehabilitations-/ Behindertensport.
  • Im Kontext des Leistungssports stehen primär die Aus- und Fortbildung von Trainern, deren Beratung und Betreuung sowie die Entwicklung und Evaluation von Verfahren im Mittelpunkt.
  • Im unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Schulsport stehen neben den Fragen zur Leistungsthematik auch Fragen zum Bewegungslehren und -lernen, zur (Persönlichkeits-) Entwicklung, zur sozialen Einstellungen, zur Stärkung des Selbstkonzepts und zur Verbesserung der kognitiven Leistung durch körperliche Aktivität im Forschungsfokus.
  • Beim Breiten-, Betriebs- und Freizeitsport stehen aktuell die Steigerung des eigenen Wohlbefindens sowie die Stabilisierung der Gesundheit im Kern der Betrachtung.
  • Im Gesundheitssport beschäftigt sich die Sportpsychologie aktuell, neben der Frage zur Motivation zum Sporttreiben und dessen Aufrechterhaltung, mit der Analyse und positiven Beeinflussung von Gesundheitsprädiktoren.
  • Im Rehabilitations- bzw. Behindertensport stehen, neben den klassischen Fragestellungen im Rehabilitationskontext mit zunehmender Professionalisierung und Kommerzialisierung des Behindertensports leistungssportliche Aspekte im Fokus.
  • Inhaltlich liegen die Aufgaben der Sportpsychologie insgesamt in der Diagnostik von psychologisch relevanten Verhaltensund Erlebensweisen, in der Analyse von Gruppenbeziehungen, im sportpsychologischen Grundlagen- bzw. Fertigkeitstraining, in der Krisenintervention sowie im Monitoring.

zurück zum Inhalt

 

Kapitel 15: Sportpsychologische Diagnostik

Begriffsbestimmung

  • Bei der sportpsychologischen Diagnostik geht es um die Erhebung von Merkmalen, die für das Verständnis des Verhaltens und Erlebens von Sportlern von Interesse sind.
  • Die erhobenen Personenmerkmale werden zu einem diagnostischen Urteil zusammengefasst und dienen als Entscheidungsgrundlage für Interventionen oder Selektionen, für Prognosen sowie für Evaluationen von Zuständen und/oder Verläufen.
  • Die Personenmerkmale werden dabei entweder als relativ stabile Faktoren (Traits) oder im Kontext von Situationen, Umwelten oder Interaktionen erfasst (States).

Diagnostischer Prozess

  • Der Prozess der Diagnostik umfasst alle zeitlichen, organisatorischen, strategischen und personalen Aufwendungen zwischen einer Fragestellung und deren Beantwortung.
  • Im Bereich der psychologischen Diagnostik differenziert man zwischen unterschiedlichen Strategien, die in Abhängigkeit vom Ziel der Diagnostik auch in verschiedenen Kombinationen eingesetzt werden können.
  • Psychologische Merkmale sind nicht direkt beobachtbar oder messbar. Daher wird zumeist auf Selbstberichtverfahren wie Interviews und Fragebögen zurückgegriffen.
  • Die Vielzahl von Verfahren, die zur sportpsychologischen Diagnostik zur Verfügung stehen, können zu drei Gruppen zusammengefasst werden: das explorative Gespräch, die Verhaltensbeobachtung sowie sportpsychologische Tests.
  • Insbesondere standardisierte (sport-)psychologische Tests genügen zumeist aufgrund der Berücksichtigung von Gütekriterien den wissenschaftlichen Ansprüchen an eine diagnostische Messung.
  • Sportpsychologische Tests können u. a. in Leistungs- und Persönlichkeitstests unterteilt werden. Persönlichkeitstests untergliedern sich wiederum in psychometrische Persönlichkeitstests und Persönlichkeitsentfaltungsverfahren.
  • Eine ökonomische Alternative für die Eingangsdiagnostik stellt das Screening dar. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem Personenmerkmale zunächst (relativ) oberflächlich erfasst werden.

Konsequenzen für die Praxis

  • Am Anfang eines jeden systematischen Betreuungsprozesses sollte die Diagnostik leistungsrelevanter Merkmale stehen. 
  • Auf Grundlage des Befunds können dann z. B. konkrete Interventionen geplant und durchgeführt werden.
  • In regelmäßigen Abständen sollte eine erneute Diagnostik durchgeführt werden, um die Qualität und Wirksamkeit der Interventionen zu überprüfen und rechtzeitig Interventionsbzw. Zielmodifikationen vornehmen zu können.

zurück zum Inhalt

 

Kapitel 16: Sportpsychologische Interventionen

Kategorien und Inhalte sportpsychologischer Interventionen

  • Interventionen stellen den Kern sportpsychologischer Betreuung dar. Sie versuchen, durch planmäßiges und systematisches Einwirken, unter Verwendung wissenschaftlich überprüfter Maßnahmen, die psychosoziale Handlungskompetenz zu optimieren, Handlungsfähigkeiten und -intentionen situationsangemessen zu realisieren bzw. das Wohlbefinden zu verbessern.
  • Sport kann sowohl Gegenstand als auch Mittel einer Intervention sein.
  • Die Vorgehensweise bei Interventionen kann personzentriert, umweltzentriert oder aufgabenzentriert erfolgen.
  • Es lassen sich zehn Aufgabenfelder sportpsychologischer Interventionen ableiten, die von der Regulation einer Bewegung beim Erlernen einer sportlichen Technik bis zur langfristigen Karriereplanung reichen.
  • Sportpsychologische Betreuung erfolgt anlassbezogen auf den drei Ebenen Grundlagentraining, Aufbautraining oder Krisenintervention.
  • Die existierenden Interventionsformen lassen sich inhaltlich den beiden Bereichen Fertigkeitstraining und Selbstkontrolltraining zuordnen.
  • Das Fertigkeitstraining untergliedert sich in das psychomotorische Training, bei dem Bewegungsabläufe durch Vorstellungsbilder gesteuert werden (z. B. durch Visualisierung, Imaginations-/Vorstellungstraining oder mentales Training), und das kognitive Funktionstraining, bei dem es um die Optimierung der Prozesse des Wahrnehmens, Denkens, Erkennens, des Sichvorstellens, des Sicherinnerns, des Sprechens und Entscheidens geht (Wahrnehmungs-/Entscheidungstraining). 
  • Beim Selbstkontrolltraining unterscheidet man zwischen dem Motivationstraining, zur Generierung oder Aufrechterhaltung starker Motivation des Sportlers, und dem Psychoregulationstraining, in dem der Athlet in die Lage versetzt werden soll, Vorgänge im eigenen Organismus selbst aktiv verändern und zunehmend besser beherrschen zu können (z. B. durch Aktivierungsatmung, Energieaufladen, Selbstaktivierung oder Mobilisation).
  • Kriseninterventionen sind nicht plan- oder vorhersehbar. Sie liegen im leistungssportlich wettkampforientierten Alltag eines Sportpsychologen zumeist im Bereich der Kommunikationsstörungen und Konflikte. Interventionsansätze hierfür stellen etwa ein Qualitätsmanagement (z. B. durch iQMsport) oder ein Kommunikationstraining (z. B. durch athletenzentriertes Coaching) dar.
  • Bei Kriseninterventionen werden aber auch psychologische Probleme und Krankheitsbilder unter Einbeziehung von Psychotherapeuten oder Ärzten behandelt.
  • Bei den nachgewiesenen Effekten sportpsychologischer Interventionen bestehen aufgrund der Kontrollgruppen- und Selektionsproblematik grundsätzliche Herausforderungen sowohl beim Transfer in den Leistungssport als auch bei der Betrachtung des Ursache-Wirkung- Verhältnisses in Bezug auf die sportliche Leistung.

Empirische Befunde zum mentalen Training

  • Mentales Training wirkt moderat positiv auf die Bewegungsleistung und das Bewegungslernen und ist somit prinzipiell wirksamer als kein der des praktischen Trainings. Den größten Leistungszuwachs verspricht eine Kombination aus mentalem und praktischem Training.
  • Im Themenbereich Sportliche Fertigkeiten und taktische Verhaltensweisen ist die Befundlage im Hinblick auf die Frage, ob sich durch MT geschlossene und offene Fertigkeiten gleichermaßen verbessern lassen, unklar.
  • Trainingswissenschaftliche Untersuchungen zu Kraftleistungen zeigen, dass zentralnervöse Prozesse einen Einfluss auf die Kraftproduktion haben. So führt beispielsweise ein einseitig durchgeführtes Krafttraining auch zu Kraftzunahmen auf der nicht trainierten Seite.
  • Im Bereich Sportverletzungen scheint es insgesamt sinnvoll, mentales Training systematisch in den Rehabilitationsprozess einzubinden, obwohl eine Kombination von aktivem Training und mentalem Training, z. B. aufgrund einer Immobilisation, häufig ausgeschlossen ist.
  • Insgesamt ist die Anzahl an vorliegenden – und methodisch sauberen – experimentellen Studien noch zu gering, um wesentliche Schlüsse zum optimalen Einsatz des MT ableiten zu können.

zurück zum Inhalt